Rezension

Oberflächlich, routiniert mittelmäßig, vorhersehbar.

Blutrote Provence - Pierre Lagrange

Blutrote Provence
von Pierre Lagrange

Bewertet mit 3 Sternen

Die Zutaten für den typischen Regio-Krimi sind zwar da: Landschaftbeschreibungen hier und dort, wie einem Reiseführer entnommen, philosophisch angehauchte Einlagen über die Liebe und das Leben, gutes Essen, guter Wein, entspannter Lebensabend in der Provence. Aber es kommt zu keinem beeindruckenden Leseerlebnis.

Vom zweiten Fall für Albin Leclerc habe ich etwas mehr erhofft. Im Auftakt der Reihe gab es so gute Ideen, Bezüge zu Kultur/Geschichte des Landes, uvm. Dieser Fall aber glänzt durch routinierte Mittelmäßigkeit, egal, ob man die Themen, die Art der Stoffdarbietung oder die Sprache in Betracht zieht.  Kein Esprit, kein Funke, der überspringen könnte.

Klappentext beschreibt den Fall recht gut: „Drei Leichen liegen an einem Waldparkplatz bei Caromb. Die Feriengäste wurden mit einer seltenen Waffe hingerichtet. Die Polizei steht vor einem rätselhaften Fall, in den sich zu allem Übel Ex-Commissaire Albin Leclerc einmischt. War es das Werk eines Auftragsmörders? Geht ein Killer in der Provence um, der Touristen tötet? Leclerc erkennt Parallelen zu einem früheren Fall - und sticht in Begleitung von Mops Tyson in ein Wespennest...“

Erst wird man durch eher makabre Schilderungen der Ermordeten aus der Sicht einer Krähe überrascht, die die Leichen oben im Wald entdeckt. Dann wechselt man zu Albin, dem etwa 66-Jährigen pensionierten Polizisten, der seinen Ruhestand nicht wahrhaben will und bei den Ermittlungen zum großen Ärger seiner ehemaligen Kollegen immer dabei ist. Ab da plätschert das Ganze gemütlich vor sich her. Man hört mal von Biochemikern, mal vom Krieg im ehem. Jugoslawien, mal ist die Rede von den Demos gegen TTIP, öfter wird Roquefortkäse in diesem Zusammenhang erwähnt, mal US Ziele, was franz. Luxusgüter anbelangt, etc. Aber alles so spannungsarm und in einer so lässigen Sprache dargeboten, dass ich den Krimi als Einschlafhilfe nehmen konnte. Man kann ihn auch gut auf dem Weg zur Arbeit im öffentlichen Verkehr lesen: die Kapitel sind kurz und man braucht sich keine Sorgen zu machen, dass man irgendetwas verpasst: es kommt noch paarmal wieder.

 Die Zutaten für den typischen Regio-Krimi  sind zwar da: Landschaftbeschreibungen hier und dort, wie einem Reiseführer entnommen, philosophisch angehauchte Einlagen über die Liebe und das Leben, gutes Essen, guter Wein, entspannter Lebensabend in der Provence. Aber es kommt zu keinem beeindruckenden Leseerlebnis.

Die Infoversorgung kam mir wie für Dummies vor: Zu viel erklärt und wiederholt über die gesamte Länge. Die Geschichte ist auch etwas zu breit erzählt. Da gibt es eigentlich nicht viel zu erzählen, aber dieses Wenige wurde gewissenhaft breitgetreten.

Albin Leclerc als Hauptfigur war mir an einer Stelle sympathisch, sonst aber eher blass, schemenhaft, mal bemüht humorig. Seine jüngere Kollegin Cat, die eine fast gleich große Rolle hier spielt, kam mir eher wie ein Mann vor. Die plötzlichen Sprünge zu ihrer Perspektive haben mich oft genug aus dem Lesefluss befördert. Ihre Lebensgeschichte ist zwar ganz passabel, mit Problemen der in Frankreich lebenden Muslime angereichert, der Unfähigkeit der Politik, diese Probleme zu lösen, aber sie wirkte auf mich insg. etwas zu konstruiert und unnatürlich. Es kommen noch andere Perspektiven dazu, die einen erst ganz aus dem Lesefluss schmeißen: Da gibt es Laila, eine junge Muslimin, die auf Rachezug ist und nach Cats Leben trachtet. Ihr Handeln, insb. zum Schluss, kam mir leider etwas zu wenig authentisch vor. Und natürlich wurde an mehreren Stellen ausgiebig ihre Motive und ihre Vorgeschichte erklärt.

Und last but not least: die Auflösung. Sehr vorhersehbar. Die für die Morde verantwortliche Person war mir nach ihrem ersten Auftritt stark verdächtig. Der Verdacht bestätigte sich auch noch zum Schluss. Keine Überraschung. Stattdessen wurde man mit plakativen Aussagen „gefüttert“: „Fanatismus ist immer schlecht“, S. 398, und noch mehr Erklärungen und Zusammenfassungen.

Ob ich weitere Folgen in die Hand nehme ist eine große Frage. Zu primitiv der Ausdruck: Das gedankenlos eingesetzte „war“, wie der mir eine Spur zu lässige Ausdruck insg., nervten bis zum Schluss. Die einfallslose Stoffdarbietung samt den oberflächlich behandelten Themen, Dummie-Leserbild mit allen daraus folgenden Konsequenzen, paar Tippfehler hier und dort bilden die Entscheidungsgrundlage. Aus dem ersten Fall war ich eigentlich einer besseren Meinung von Albin Leclerc und nun sowas. Es ist diese Oberflächlichkeit, diese routinierte Mittelmäßigkeit, die mich fassungslos zurücklassen.

Die Schrift ist augenfreundlich, was an sich gut ist, aber nicht über die Inhaltsarmut hinwegtäuschen kann. Das Buch sieht zwar dick aus, es ist aber wenig Inhalt drin. Das Coverbild ist wunderschön, wird aber dem Fall nicht gerecht. Dieses Süffige, Farbige, Eindrucksvolle habe ich darin vermisst.

Im Band gibt es übrigens auch eine Leseprobe des nächsten Falls mit Albin Leclerc. Ich habe sie durchgelesen und der erste Gedanke war: Wer hat eigentlich diesen Herrschaften von Autoren ans Herz gelegt, unbedingt äußerst brutale Schilderungen der Gewalt, vorzugsweise gegen Frauen, in ihren Krimis aufzunehmen? Klar, es ist eine viel einfachere Art, Eindruck zu schinden, neugierig zu machen, aber! Das Thema war bereits im Fall eins beackert und sorry, diese Bemühungen kommen mir schlicht zu billig und flach vor.

 Drei Sterne mit ganz viel Wohlwollen.