Rezension

Ohne Nachhaltigkeit kann es keine Zufriedenheit geben

Ikigai - Ken Mogi

Ikigai
von Ken Mogi

Bewertet mit 4 Sternen

Ikigai ist ein Wertesystem der japanischen Kultur, das jenen Lebenssinn definiert, für den es sich zu leben lohnt. Es handelt sich dabei um kein Erfolgsrezept, sondern um den Weg zu innerer Zufriedenheit, der Erfolg und Anerkennung von außen allerdings nicht ausschließt. Um Ikigai zu erklären, taucht Mogi tief in japanische Traditionen ein und analysiert zeitgenössische Sitten.

Ikigai besteht aus den fünf Säulen: klein anfangen, Loslassen lernen, Harmonie und Nachhaltigkeit leben und im Hier und Jetzt sein. Sie erkennen sicher, dass unsere Sprache bei der Beschreibung von Ikigai an ihre Grenzen gerät, denn die fünf Bereiche agieren und harmonieren miteinander; ich kann sie mir eher als überlappende Flächen vorstellen, denn als gleich starke und gleich hohe Säulen.

Am Beispiel eines betagten Sternekochs beschreibt Ken Mogi dessen Kodawari, eine Kombination aus Talent, Entschlossenheit, Hartnäckigkeit und Fleiß, die in der Hingabe an sein Handwerk und damit in Zufriedenheit münden. Als Beispiel für erfolgreiches Kodawari-Denken führt Mogi Steve Jobs an, den er in seinem Denken für japanisch hält.

Ikigai wird von Ken Mogi in Zusammenhang gebracht mit bekannten Orten, in denen Menschen sehr alt werden, u. a. auf der Insel Okinawa. Auch dort ist Ikigai kein Patentrezept, sondern die Zufriedenheit der Menschen resultiert aus einem gesunden, bescheidenen Lebenswandel mit körperlicher Arbeit, Pflichterfüllung für den eigenen Garten, die eigenen Tiere und die Gemeinschaft. Lebensinn und das Motiv, um auch in hohem Alter jeden Morgen aufzustehen, sind in diesen Gemeinschaften Pflanzen, Tiere und die Nachbarn, für die man sorgt und die sich um einen sorgen.

Typisch für Ikigai zeigt sich, dass dieses Ethos in idealer Weise zur Bewahrung und Weitergabe von Handwerkskunst geeignet ist, aber auch die Grundlage von asiatischen Kampfkünsten liefert. Beeindruckend finde ich Mogis Verbindung zwischen Ikigai und Nachhaltigkeit; denn welcher Betrieb, Garten oder Wald würde ohne Ikigai für die kommenden Generationen erhalten und entwickelt werden? Die Umsetzung von Ikigai in der modernen, globalen Welt hält Mogi dann auch für ein ungelöstes Problem, da globale Konkurrenz und jegliches System, das sich auf Eliten konzentriert, nicht nachhaltig sein können – und die Menschen in ihm nicht zufrieden sein.

Ken Mogi idealisiert hier meiner Ansicht nach die japanische Kultur, die sichtbar zu einer überalterten, unflexiblen, kaum erneuerungsfähigen Gesellschaft geführt hat, weil sie ihre Traditionen eben nicht dem Hier und Jetzt anpassen konnte. Dennoch finde ich seine Verknüpfung von Nachhaltigkeit und Zufriedenheit sehr bedenkenswert, wie auch seine überzeugende Kritik am Selbsterhalt von Eliten.