Rezension

Ole Liebl hat definitiv meinen Horizont erweitert

Freunde lieben. Die Revolte in unseren engsten Beziehungen -

Freunde lieben. Die Revolte in unseren engsten Beziehungen
von Ole Liebl

Bewertet mit 5 Sternen

Zunächst einmal führt Ole Liebl mich in die sexuellen Begrifflichkeiten ein, was mir hilft zu differenzieren und dem folgenden Text zu folgen. Dafür bin ich dankbar, denn ich merke, dass ich eingerostet bin. D*ie Autor*in unterscheidet die F+ Beziehung, also Frindship with benefits, oder Freundschaft+ Erotik, von Hookup, Fickbeziehung, One Night Stand, BootyCall, Fuck Buddys, Casual Sex (No Strings Attached) und von der Affäre.

Die Freundschaft+ ist im Gegensatz zu den anderen erwähnten Spielarten der Erotik eine Vereinigung mit mehr oder weniger großer Verbindlichkeit, wobei die Freundschaft an erster Stelle steht und nicht der Sex.

Ole Liebl hat aufwendig recherchiert und nimmt uns mit auf eine Reise in die Geschichte der Sexualität. Beleuchtet das Konstrukt der Ehe, mit all ihren Abhängigkeiten, Machtgefällen und Sicherheiten, beleuchtet die Aufgabe der katholischen Kirche und wie diese durch den Staat abgelöst wurde. Wie wichtig die kontrollierte Geburtenrate der Ehe zu Zeiten der Kriege wurden. Wie sehr Frauen aber auch Minderheiten begrenzt und beschnitten wurden/werden. Lange Zeit hatte man der Frau jegliche eigenständige Sexualität abgesprochen, sie zum passiven, empfangenden Weibchen erkoren, frei von Rückgrat, geschwätzig und zu Hysterie neigend. Ole zeigt, wie sehr wir diese Rollenbilder bis ins Heute interniert haben, was uns das “freiwillige” unentgeltliche Kümmern von Frauen in der Care Arbeit (Pflege von Angehörigen, Kindererziehung, Hausarbeit) zeigt. 

Ich mochte diesen Exkurs sehr, weil ich viele Informationen bekommen habe, die ich nicht kannte. Besonders gelungen fand ich das Kapitel, Liebe, Sex und Kapital: 150 Jahre sexuelle Kommerzialisierung. Sex sells, wie sich durch Werbung Geschlechteridentität und sexuelle Orientierung kristallisiert hat.

Um sexuell begehrenswert zu sein, so verspricht die kapitalistische Gegenwart, muss also konsumiert werden. S. 61

Ein Dogma, dem sich immer noch die Mehrheit der weiblichen Bevölkerung beugt. 

Ole Liebl propagiert den verantwortlichen Umgang mit Sexualität im algemeinen und die Wichtigkeit eines gemeinsamen Konsens, damit niemand verletzt wird, weder physisch noch emotional. Er glaubt, dass in der Intimität und dem Vertrauen, das Freundschaft mit sich bringt, die Chance liegt seine Wahlfamilie zu festigen und den sinnlichen Horizont, dessen was guttut, zu erweitern.

Während in romantischen Beziehungen oft hohe Erwartungen an ein “geschlechtergerechtes” Verhalten bestehen, die mit Performancedruck einhergehen, unterliegt die Freundschaft solcher gesellschaftlicher Normen kaum. S. 91

Fazit: Ein gut geschriebenes Buch, das mit seinen revolutionären Thesen, definitiv meinen Horizont erweitert hat.