Rezension

Opium fürs Literaturvolk

Hundepark -

Hundepark
von Sofi Oksanen

Der Opiumanbau wie auch die Einzellspende ist in Deutschland verboten. Das Erste sollte vielen bekannt sein, das Zweite eher weniger. Beides wird hingegen in der Ukraine, wenn man Sofi Oksanens neuen Roman und ihren Recherchen im Rahmen dessen Glauben schenken kann, vielfältig genutzt, um weit verbreiteten, finanziellen Sorgen zu begegnen, eine gewisse Unabhängigkeit zu erlangen und vielleicht den sozialen Aufstieg zu schaffen.

Geschickt verwebt Oksanen in ihrem Roman die Geschichte der Ich-Erzählerin Olenka, welche als im Westen gescheitertes Model in ihre Heimat Ukraine zurückkehrt, um dort zunächst selbst als Eizellspenderin und später aufgestiegen in der Hackordnung als Koordinatorin ebendieser zu agieren, mit den postsowjetischen Zuständen und politischen Ereignissen ab 2009 in der Ukraine. Das geschäftstüchtige Unternehmen "Eizellspende" wird kaltblütig mit bedürftigen Mädchen gefüttert, die nicht nur eine Hormontherapie über sich ergehen lassen müssen, sondern auch ihre Gesundheit durch dieses Verfahren riskieren. "So gern die Elite ins Ausland fuhr, um dort etwas für ihre Gesundheit zu tun, war unsere Gesetzgebung doch einzigartig, wenn es um die Unterstützung bei der assistierten Anschaffung von Kindern ging: Nur die künftigen Eltern genossen juristischen Schutz, während Spenderinnen und Leihmütter keinerlei Rechte besaßen." Die ukrainische Landbevölkerung hingegen hält sich mit illegalen Gruben und dem Schlafmohn- und damit Rohopiumanbau im Garten über Wasser. Beides zwielichtig, beides kreuzgefährlich.

Olenka schildert zunehmend um Verständnis bittend mit Rückschauen auf vergangene Jahre und Erlebnisse einem ominösen "Du" ihr Leben, was sie als einfache Putzfrau bis nach Helsinki geführt hat. Nur portionsweise, so wie es Olenka dem angesprochenen "Du" preisgeben möchte, erfahren wir mehr über die weitreichenden Zusammenhänge ihrer Handlungen und Taten. Wir müssen darauf hoffen, dass sie uns die Wahrheit - oder zumindest ihre Wahrheit - darlegt, denn Olenka ist eine Meisterin des Manipulierens gewesen. Doch in diesem Roman ist keine der Figuren einfach nur "böse" oder "gut", nur "Täter" oder "Opfer". Besonders Olenka bekommt so viele Facetten zugeschrieben, dass ihre Erzählung, ihr Geständnis umso lebhafter und authentischer wirkt. Zugegeben, der verknoteten Handlung muss man sehr aufmerksam folgen, um sie annähernd verstehen zu können. Verwirrend wird mitunter erzählt. Aber all dies ist grandios von Sofi Oksanen konzipiert. Der Roman fesselt bis zum Schluss und liest sich durch seine mitunter harte, dem Charakter und Denken der Protagonistin angepassten Sprache wie ein düsteres Spiegelbild einer zunehmend moralisch zerrütteten Gesellschaft.

So lässt sich dieses vom brillant durchdachten Cover bis zum letzten Satz durchweg stimmig konstruierte Buch uneingeschränkt für eine nicht nur spannende, sondern auch unglaublich wissenswerte - wie auch, aufgrund der Hintergrundinformationen zur modernen Ukraine, hochaktuelle - Lektüre dringend empfehlen.