Rezension

Orks – Keine Golems!

Unter Golems - Elaine Corvidae

Unter Golems
von Elaine Corvidae

Bewertet mit 4 Sternen

Vorweg muss ich eines loswerden: Der deutsche Titel ist ein absoluter Graus! Klar, kommen hier Golems vor, doch nicht in dem Ausmaß, wie es der Titel deutlich machen möchte. Stattdessen geht es hier vielmehr um Verbena, eine Meisterin der Magie an der Univesität in Giavolo, die ihre Tage damit verbringt Studenten ihre Kunst beizubringen und danach in ihrem Labor zu forschen, um dann am Abend die Arbeit ihrer Studenten zu benoten. An der Universität gibt es u.a. Golems die zur Nachrichtenübermittlung genutzt werden, ansonsten spielen sie eigentlich keine Rolle, außer der Tatsache, dass Verbena gerade in ihrem Labor Forschungsarbeiten zu einem rechnenden Golem arbeitet, welcher während eines Angriffs feindlicher Golems gestohlen wird. Vielmehr ist in diesem Buch die Beziehung Verbenas zu ihrem Ork-Leibwächter das entscheidendere Merkmal und der eigentliche Inhalt des Buches hinter der Hauptstory ihren Forschungspartner Malachit zu retten, denn auf diese Mission begeben sich die beiden samt ein paar Mitstreitern. Der englische Titel The Sorceress’s Orc trifft den wahren Kern des Buches viel besser!
Die Orcs sind in diesem Buch größer und kräftiger als Menschen, haben eine grüne Haut und hevorstehende Eckzähne. Im Allgemeinen gelten sie als tump, dumm und gewaltätig, bestensfalls geeignet als Leibwächter, aber nicht würdig sich näher mit ihnen zu befassen. Als Verbena eher aus Mitleid heraus ihren Leibwächter Riyu zu sich in die Stube einlädt stellt sie fest, dass die Vorurteile alles andere als wahr sind – außer, dass sie sehr gut kämpfen können und damit tatsächlich gute Leibwächter sind, da sie zudem über ein hohes Maß an Ehre und Treue besitzen. Wie Corvidae hier ihre Orks gestaltet hat mir im Prinzip sehr gut gefallen, allerdings waren sie doch so menschenähnlich in ihrem Verhalten, dass ich manchmal vergessen habe, mir beim Lesen einen grünhäutigen Ork an Stelle eines kräftigen Mannes vorzustellen – da hätte ein entsprechendes Cover dem Buch auch sehr gut getan! Ansonsten hat mir gut gefallen, dass die Anrede im Stile der Orks gehalten wurde und ab und zu orkische Satzfetzen eingebaut wurden. Auch wurde ein bischen Hintergrund über die Orks in der Welt beschrieben, doch für meinen Geschmack ehrlich gesagt nicht genug. Die Reisegesellschaft ist schließlich lang genug unterwegs um so manches Ork-Thema etwas zu vertiefen und das Buch ist mit knapp 400 Seiten eigentlich auch noch kurz genug, so dass derartiges genügend Platz gefunden hätte. Dies ist sehr schade, spielen die Orks hier doch eine so entscheidende Rolle.
Zu Beginn das Buches erleben wir Verbena in ihrem normalen Lebensumfeld an der Universität. Ich kann mir nicht helfen, aber Geschichten, die an Universitäten/Akademien/Schulen und dergleichen spielen, die Magie lehren gefallen mir zumeist immer sehr gut, da häufig eine schöne Atmosphäre geschaffen wird. So auch hier: Mir hat daher gerade der erste Teil des Buches sehr gut gefallen und ich habe mich nach jeder Lesepause gefreut, das Buch wieder aufzunehmen. Dann begab sich Verbena mit ihren Begleitern auf die Suche nach Malachit – und das eigentlich auch ohne großen Plan – und die Lesefreude hat sich etwas gemindert. Reisegeschichten finde ich einfach zumeist nicht so mitreißend wie statische Orte. Da die Gruppe kein festes Ziel hat, empfand ich das auch eher als planlos. Zwar ist durch verschiedene Ergeinisse immer mal wieder Spannung geboten und das Buch liest sich auch echt super, doch die Atmosphöre des Anfangs konnte nicht wieder aufgebaut werden.
Was sich alles schön aufbaut ist die Beziehung zwischen Verbena und Riyu, denn sie hat beinahe über die gesamte Länge des Buches hinweg Zeit zu reifen. Dies macht die gesamte Geschichte authentisch und schön zu lesen. Ohnehin ist der Charakter Verbena sehr interessant gestaltet, hebt sie sich doch von der Masse der weiblichen Hauptcharaktere schon allein dahin ab, dass sie eine Frau an der Grenze zur 50 ist, die man gemeinhin als “alte Jungfer” oder “graue Maus” beschreiben würde. Dabei ist sie in Wirklichkeit nicht so wie sie die Männer sehen. Würde schließlich eine leidenschaftslose Frau sich auf eine gefährliche Reise begeben, um ihrern Forscherkollegen zu retten? Ich glaube nicht.
Der Schreibstil der Autorin ist flüssig und lässt sich gut lesen, wobei sie sich für meinen Geschmack an einer einen oder anderen Stelle etwas kurz hält. Dafür gefiel es mir sehr gut mal wieder ein Buch zu lesen, dass nur aus einer Perspektive erzählt – und chronologisch erzählt wird. Die Handlung springt also weder von Ort zu Ort, noch von Person zu Person und die Geschichte ist schön gradlinig. Aber: Wenn man schon ein Buch schreibt, bei dem die Protagonisten den Großteil der Zeit auf Reisen sind, wäre es sehr schön gewesen, eine Karte beizugeben. Fazit: Unter Golems ist ein für sich abgeschlossener Fantasy-Roman, bei dem Golems eingentlich nur Beiwerk sind und stattdessen Orks – oder vielmehr ein ganz bestimmter – im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Mir hat das Buch gut gefallen, da die Beziehung zwischen sympathischer und unkonventioneller Menschenfrau und Ork-Leibwächter sich langsam entwickelt und alle Protagonisten authentisch rüberkommen. Für meinen Geschmack hätte das Buch ruhig etwas ausführlicher sein können, z.B. in der Beschreibung der Ork-Rasse und deren Sprache. Für alle, die sich Orks als rauhe, rüpelhafte Schlächter vorstellen und sie sich auch so wünschen, ist das Buch eher nicht zu empfehlen. Vielleicht ist es auch eher ein Frauen-Buch!