Rezension

Papageien und andere ungewöhnliche Zuwanderer

Tiere in der Stadt - Bernhard Kegel

Tiere in der Stadt
von Bernhard Kegel

Bewertet mit 5 Sternen

Als mir zum ersten Mal in einer deutschen Großstadt ein frei lebender Halsbandsittich entgegen flatterte, konnte ich mir noch nicht vorstellen, dass aus anderen Klimazonen eingewanderte Tiere in Deutschland überleben würden. Mit aus dem Ausland zugewanderten Pflanzen und Tieren, sowie Umsiedlern aus dem Umland der Städte befasst sich Bernhard Kegel in seiner Naturgeschichte der Stadt. Als gebürtigen Berliner, der als Kind auf Trümmergrundstücken und verwilderten Brachflächen spielte, hat die noch junge Wissenschaft der Stadtökologie den gelernten Biologen besonders interessiert. Kegel, der sich sehr belesen darin zeigt, wie die Belletristik Fuchs und Hase darstellt, referiert zum Thema Wildtiere in der Stadt Forschungsergebnisse aus diversen Ländern. Als Leser wird man zukünftig die Stadt Warschau mit anderen Augen betrachten, als außergewöhnlich umfassend erforschten Lebensraum für Tiere. Vom Kindchen-Schema (vierbeinig, Fell, runde Augen) muss sich der Leser bereits in Kegels ersten Kapiteln verabschieden. Zunächst geht es um wenig kuschelige Tiere mit sechs oder acht Beinen, Parasiten, die Mensch und Tier auf der Pelle hocken. Doch wer die wenig putzige Kegelsche Floh- und Milbeninvasion im Buch überstanden hat, kann anschließend in seine fesselnde Betrachtung der Stadt als urbane Wärmeinsel abtauchen. Man erfährt von den Wegen, die Pionierorganismen gern für die Zuwanderung nutzen, welche Lebewesen besonders vom menschlichen Wunsch nach langweiligen Zierrasenflächen profitieren und welche Flächen schnell von Neophyten besiedelt werden. Vögel haben eine Lobby unter Menschen und ihre Verbreitung ist darum sorgfältig kartiert und erforscht. Am Beispiel der Vögel unternimmt der Autor eine interessante Exkursion bis in die Zeit zurück als der Anblick von Greifvögeln Stadtbewohnern sehr viel vertrauter war als in der Gegenwart und als Menschen Schlangen in ihrer unmittelbaren Umgebung duldeten, da sie Haus und Garten mäusefrei hielten. Faszinierend fand ich Kegels Blick auf Kriege, Großfeuer und andere Katastrophen, die durch die Verwüstung Platz für eine Neubesiedlung durch Pflanzen und Tiere schaffen. Zur Belohnung für die, die bis hierhin durchgehalten haben, folgen nun Einblicke in das Leben des ordinären Großstadtfuchses. Von einigen liebgewonnen Schlüssen muss man sich als Kegel-Leser verabschieden. Ökosysteme funktionieren längst nicht so simpel wie die verbreitete Erklärung: Katzen jagen Singvögel, also sind Katzen die Ursache für den Rückgang städtischer Vogelpopulationen.

Bernhard Kegel hat mit seinen Krimis gezeigt, dass er ein breites Publikum unterhalten kann. Seine Naturgeschichte der Stadt ist mit Humor verfasst und geprägt vom Aufwachsen des Autors im Berlin der Nachkriegszeit. Kegel macht die eingeschränkte Sicht deutlich, mit der wir unsere tierischen Mitbewohner oft bewerten, und bietet seinen Lesern einen ungewohnt breiten Blickwinkel auf ökologische Zusammenhänge.