Rezension

Poetischer Roadtrip

Widerfahrnis - Bodo Kirchhoff

Widerfahrnis
von Bodo Kirchhoff

Bewertet mit 4 Sternen

Reither ist nicht mehr ganz jung, um die 60 wohl. Er war früher Verleger, hatte einen ganz kleinen Verlag mit Buchhandlung. Eines Abends klopft eine Frau an seine Tür, Leonie Palm. Erst rauchen sie eine Zigarette zusammen, dann beschließen sie, zusammen den Sonnenaufgang zu sehen, an einem See. Doch als sie dort ankommen, beschließen sie noch ein wenig weiter zu fahren. Wohin wird diese Reise sie bringen?

Die beiden gehen also auf eine Art spontanen Roadtrip, ohne Gepäck, ohne festes Ziel. Dabei macht gerade ihr Alter einen gewissen Reiz aus, denn die beiden haben natürlich schon viel erlebt. Reither ist immer noch in seiner Verleger- und Lektorenrolle fest verankert. Oft beurteilt er eine Situation aus dem wahren Leben danach, ob sie in einem Buch glaubwürdig wäre oder ob er sie gestrichen hätte. Diese Kommentare haben mir äußerst gut gefallen.

Ganz langsam schleicht sich noch eine andere Thematik ins Buch: die Flüchtlingssituation in Italien. Je weiter die beiden nach Süden kommen, desto mehr und engere Begegnungen mit Flüchtlingen haben sie. Hier schneidet der Autor wichtige Themen an, denn Leonie und Reither wollen helfen. Aber was ist überhaupt eine Hilfe? Wenn man eine Essen bezahlt? Wenn man zwanzig Euro gibt? Der etwas hilflose Umgang der beiden mit den Flüchtlingen ist sehr gelungen dargestellt. Gegen Ende kehrt sich die Situation sogar um, aber ich möchte nicht zu viel verraten.

Bodo Kirchhoff hat eine sehr eindringliche Art zu erzählen und sein Stil gefällt mir gut. Allerdings ist das Buch auch nicht immer einfach zu lesen und zwischendurch hatte ich einen kleinen Durchhänger und kam nur langsam voran. Das Ende hat aber vieles wieder wettgemacht. Ich denke dennoch, dass es nicht unbedingt Kirchhoffs bestes Werk ist.

Eine Warnung möchte ich noch aussprechen: Wenn man gerade erst mit dem Rauchen aufgehört hat sollte man das Buch keinesfalls lesen. Die Protagonisten rauchen ständig, wenn sie Langeweile haben, um eine Pause zu überbrücken, während eines Gesprächs, einfach immer. Selbst mit blutender Hand!  Labile Leser könnten hier rückfällig werden und sich gemeinsam mit Reither eine anzünden. ;)

Fazit: ein schönes Buch mit vielen tollen Momenten, aber man braucht etwas Durchhaltevermögen.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 02. September 2019 um 12:37

Dabei ist es doch so dünn.