Rezension

Politische Unruhen in Mexiko

Die Abenteuer des schwarzen Gerard - Karl May

Die Abenteuer des schwarzen Gerard
von Karl May

Bewertet mit 5 Sternen

Während der sechzehnjährigen Gefangenschaft Sternaus und seiner Freunde hat sich in Mexiko viel verändert. Napoleon III setzte den Erzherzog Max als Kaiser in Mexiko ein, um Europa seine Macht zu demonstrieren und Mexiko schließlich für die Franzosen zu reklamieren. Präsident Juarez kämpft um die politische Unabhängigkeit während Trittbrettfahrer – wie Pablo Cortejo – versuchen von den Unruhen zu profitieren. Dies ist der historische, farbige Hintergrund vor dem neue Helden auferstehen. Der Schwarze Gerard kämpft gemeinsam mit dem Kleinen André und dem Apachenhäuptling Bärenauge für Juarez. Die Entscheidung fällt am Fort Guadeloup. Inmitten der Kämpfe kehren Sternau und seine Gefährten zurück, um den Gebrüdern Cortejo endlich das Handwerk zu legen.

Mit diesem Band weitet Karl May die Familiensaga zu einem großen Abenteuerroman mit politischem Hintergrund aus. Sternau tritt mit den seinen Anliegen zu den Nebenfiguren während die politischen Unruhen Mexikos zum Zentrum werden. Mit dem Schwarzen Gerard wird noch einmal der Bogen zu Sternaus Frankreich-Abenteuer im zweiten Band geschlagen. Der einstige Garroteur Gerard Mason wird zu einem großen Jäger und einer Schlüsselfigur für Juarez. Typische Karl-May-Szenen mit Gefangennahmen und spektakulären Befreiungsaktionen sowie denkwürdige Trapperstreiche machen den Band zu einer fesselnden Lektüre. Auch wenn Karl May sich hier von der Hauptgeschichte entfernt, hat man auf keiner Seite das Gefühl abzuschweifen. Der Schwarze Gerard ist bereits aus den Vorgeschichten bekannt. Hier wird seine Geschichte weitererzählt und sein Charakter komplexer ausgebaut. Der Kleine André wird ebenfalls mit den bereits bekannten Charakteren verbunden. Juarez ist ebenfalls bereits in die Hauptgeschichte involviert. Jetzt wird das Hintergrundabenteuer farbig ausgestaltet und damit bekommt die Geschichte eine völlig neue Dynamik. Mit den neuen Helden wird außerdem der Leerraum der 16 Jahre gefüllt, in denen Sternau und seine Gefährten gefangen waren. Ohne langwierige Ausschweifungen oder störende Leerstellen wird angedeutet, wie sich die Welt weiterdrehte und wie es für Sternau doch möglich ist wieder da anzuknüpfen, wo er aufhören musste.

Karl May gelingt mit diesem Band ein Meisterstück. Während der vorige die 16 Jahre in Deutschland auf den Punkt bringt und einen neuen Helden aufbaut, schafft er es mit diesem hier wieder in Mexiko durchzustarten und das Abenteuer auf eine neue Ebene zu heben. Mögen viele Ereignisse fiktiv sein, wie die Rollen des Schwarzen Gerards oder Pablo Cortejos in Mexikos Kampf gegen die Franzosen, so bleibt doch ein heute fast vergessenes historisches Ereignis mit diesem Roman in Erinnerung. Das mexikanische Kaiserreich mit Maximilian als Schattenkaiser – als Marionette Napoleons III – ist heutzutage kaum noch jemandem ein Begriff. Karl May hat es geschafft, diese Ereignisse geschickt zum Tableau seiner Familiensaga zu machen. Hochspannend, brillant und einfach nur fesselnd weiß die Lektüre auch heute noch zu faszinieren. Ein bisschen anstrengend ist allenfalls die Figur des Wirtes Pirnero, der seitenweise über den Schwiegersohn schwadroniert, den er so gerne hätte. Ein Charakter, der ebenfalls typisch für Mays Geschichten ist: ein Wichtigtuer, ein Großsprecher und doch irgendwie liebenswert und immer wieder gut für absurde Szenen. So anstrengend er auch manchmal ist, er lockert das Abenteuer auf und bricht die ausufernden Kampfszenen immer wieder auf eine fast familiäre Ebene runter, sodass man als Leser ein paar Ruhephasen hat, die gerne ins Humoreske spielen.

Ein genialer sechster Band, der eine brillante Brücke zwischen den Ereignissen schlägt. Die sechzehn verlorenen Jahre werden geschickt genutzt, um das Abenteuer auszuweiten ohne sich zu verzetteln oder Leerstellen zu riskieren.

Das Waldröschen ist ein Abenteuerroman, den man sich nicht entgehen lassen darf!