Rezension

Polnisch angehauchter Krimi

Sündenfall - Anya Lipska

Sündenfall
von Anya Lipska

Bewertet mit 3.5 Sternen

Das Buch ist stark geprägt durch die beiden Protagonisten Natalie Kershaw, Polizistin in London und Janusz Kniszka, Privatdetektiv, die sich durch unterschiedliche “Aufträge” denselben Täter suchen. Zwar überschneiden sich die beiden Handlungsstränge gegen Ende, doch die meiste Zeit laufen sie nebeneinander her und der Leser erlebt die Ermittlung aus Sicht der Polizei und des privaten Ermittlers, wobei beide ganz eigene Ausgangslagen haben.
So hat es sich ergeben, dass mir die beiden Handlungsstränge nicht gleich gut gefallen haben:
Der Handlungsstrang der Polizistin hätte dem anderer Kriminalromane, die ich bisher gelesen habe ähneln können, doch ist ihre polizeiliche Arbeit in London geprägt von einer Männerwirtschaft. Sie hat als Frau dort eigentlich keine Stellung und im Allgemeinen ist es in ihrem Revier so, dass wenn die Kollegen zu viel von einem Erfahren, daraus Spitznamen entstehen und ständig Anspielungen erfolgen. Daher ist sie stets darauf bedacht nichts von ihrem Privatleben mit ihren Kollegen zu teilen. Ohnehin scheint sie ihre Kollegen nicht wirklich zu mögen, wobei es immer Ausnahmen gibt.
Da es sich ergeben hat, dass sie von ihrem Chef “Soloaufträge” bekam, war von der kollegialen Ermittlungen so manch anderer Krimi-Serien nicht viel zu spüren. So stellt dieses Buch in dieser Hinsicht einen erfrischenden Gegenpol dar. Doch da ich mich so an die kollegialen Ermittlungen gewöhnt habe und dies im Prinzip dadurch von einem guten Krimi auch erwarte, hat es mir hier nicht gut gefallen. Ich hatte beim Lesen oft das Gefühl, als müsse sie einmal ordentlich auf den Putz hauen und ihren Leuten sagen, wo der Hase läuft, und dass manche Verhaltensweisen unter Kollegen, die sich aufeinander verlassen müssen nicht gehen, doch wahrscheinlich wäre sie bei der dort herrschenden Mentalität nicht weit gekommen. Schade eigentlich, dass eine Institution, die das Recht durchsetzten soll, untereinander so unfair ist. Schlicht gesagt: So etwas möchte ich eigentlich nicht lesen.
Bei Kiszka ist dies anders, er ist zwar Privatdetektiv, kooperiert mitunter jedoch mit seinem Freund Oskar oder seinem Priester. Auch hat er auf den Fall einen wesentlich persönlicheren Blick, als Kershaw. Er ist gebürtiger Pole, der sich in London ein Leben aufgebaut hat und dort – wenn auch ohne Familie – fest verwurzelt ist. Da im aktuellen Fall auch nur polnische Landsleute involviert zu sein scheinen, ist er eigentlich der passende Mann dafür. Doch auch hier muss ich wieder sagen, dass mir dieser Punkt nicht gefallen hat. Der Roman spielt in London, die Polizistin ist Engländerin, aber der Rest dreht sich um Polen. Dies ist an sich ja nicht schlimm, hat der Klappentext dies auch signalisiert, doch die vielen polnischen Wörter, die der Protaginist verwendet und die zum großen Teil nicht übersetzt wurden, haben mich von Beginn an regelrecht genervt. Das eigentlich nervige für mich war, dass ich mir bei den meisten Wörtern aus dem Geschriebenen nicht ableiten konnte, wie man es wohl ausprechen könnte und so hat das Kopfkino bei diesen Wörtern Lücken gehabt – da hätte ich mir auch gleich ein zensierendes Piep vorstellen können. Dem hätte leicht mit einer kleinen Vokabelliste samt Lautschrift Abhilfe geschafft werden können. Gab es leider nicht. Schade. Außerdem hat mir das Buch vor Augen gehalten, wie wenig ich doch von der Geschichte unseres Nachbarlandes weiß.
So viel zu diesen Punkten. Im Laufe des Buches – wenn der Fall Fahrt aufnimmt und es richtig spannend wird – sind diese Kritikpunkte nicht mehr so stark ins Gewicht gefallen, doch ich hatte zu Beginn aufgrund der vielen fremdländischen Eindrücke doch Probleme ins Buch zu finden. Der Schreibstil der Autorin war angenehm und ließ eigentlich nichts zu wünschen übrig, doch die Verwendung des Begriffs “Sexarbeiterin” statt “Prostituierte” hat mich auf Dauer doch gestört – wobei ich nicht weiß, wie viel Einfluss die Übersetzung hatte. Es las sich gegen Ende jedenfalls recht zügig, doch ist vor allem der Charakter der Polizistin recht undurchschaubar geworden. Vor allem das Ende mit ihr hat mir nicht gefallen. Nach ihrer Vorgeschichte kann ich verstehen, wie sie gehandelt hat und die Reaktion ihres Chefs darauf, fand ich nicht angemessen. Alles in Allem hat mir das Buch doch gut gefallen, was daran lag, dass das Buch gegen Ende an Spannung gewann, was den schwierigen Einstieg ausglich. Letztlich würde mich eine Fortsetzung – wenn es denn eine gibt – aufgrund der Hauptpersonen nicht reizen. Es war einfach zu viel Polen und zu viel Unkollegialität für mich.

Fazit: Mit diesem Buch bekommt der Leser einen spannenden Krimi, der einfach und schnell zu lesen ist und der einen bestens unterhält, vor allem dann, wenn man eine Affinität zur polnischen Kultur hat, denn diese – vor allem die polnischen Gemeinden in England – stehen hier im Vordergrund. Für mich waren die polnischen Worteinwürfe, die nicht ausreichend übersetzt wurden einfach zu viel.