Rezension

Prädikat: Besonders lesenswert

Sehnsucht ist ein Notfall - Sabine Heinrich

Sehnsucht ist ein Notfall
von Sabine Heinrich

Bewertet mit 5 Sternen

Eva ist 33 Jahre alt. Lebt seit sechs Jahren mit ihrem Freund Johannes, einem Mathematiklehrer zusammen und arbeitet als Physiotherpeutin. Hier lernt sie den Kurator Tobias kennen, der ihre (Gefühls-) Welt ordentlich auf den Kopf stellt.

Wer jetzt allerdings einen Liebensroman erwartet, wird enttäuscht werden. Sabine Heinrichs Debütroman "Sehnsucht ist ein Notfall" ist vielmehr als eine gewöhnliche Dreiecksgeschichte einer Mittdreißigerin in der Krise. Er erzählt die Geschichte Evas und ihrer Großmutter, die mit 79 Jahren den Mut fasst, ihren Ehemann zu verlassen, um endlich ihr eigenes, selbstbestimmtes Leben zu führen.  Auf der Suche nach sich selbst und den Antworten auf die wirklich wichtigen Fragen des Lebens begeben sich Eva und ihre Großmutter spontan mit dem Auto auf den Weg nach Elba, mitten im Januar.  Während ihrer langen Autofahrt und ihren Zwischenstopps in der Schweiz und Mailand lernen sich die beiden Frauen auf eine neue Art und Weise kennen. Eva erfährt von lang gehegten Wünschen und Träumen ihrer Großmutter und erkennt dabei, wie tief ihre Liebe und Dankbarkeit der Frau gegenüber ist, die sie aufnahm, als ihre Mutter starb, als Eva noch ein kleines Mädchen war und Evas Vater sich nach dem Tod seiner Frau nicht mehr in der Lage sah, sich um die eigene Tochter zu kümmern.

Die Großmutter lässt nicht nur Eva, sondern auch die Leserschaft erfahren, was sie dazu bewog, lange Jahre bei einem Mann zu bleiben, der ihr kein guter Ehemann gewesen ist. Wir lesen vom Alltag einer Ehefrau, die in einer Zeit heiratete, in der es üblich war, dass der Mann als Oberhaupt der Familie das Sagen hatte und Liebe, Wärme und Zuneigung nur eine untergordnete Rolle spielten. Während Eva ihre Großmutter und deren Lebensgeschichte neu kennen lernt, erfährt sie auch sich auf einen neue Art und Weise. Die alte Frau, vermag ihr keine Antwort auf die Frage geben zu wollen, ob sie nun mit Johannes oder Tobias glücklicher werden wird, doch schafft sie es, Eva und dem Lesenden  zu vermitteln, was Liebe ist und wie sehr Sehnsucht das Herz leitet.

So wird nicht nur die Protagonistin Eva mit den Fragen des Lebens konfrontiert, die eine Frau Mitte dreißig umtreiben, sondern auch der Lesende. Denn wer hat sich noch nicht schon die Frage gestellt, ob es sich richtig anfühlt, das Leben, so wie es sich gerade präsentiert? Oder ob es nicht doch besser sei, in sich hinein zu hören und der Sehnsucht, die in uns wohnt eine Stimme zu geben? Den Mut zu fassen, etwas Neues zu beginnen, bevor es vielleicht zu spät ist?

Ein gelungenes Debüt, das es auf witzige und zugleich ernsthafte Weise schafft, das Herz zu berühren, ohne dabei kitschig zu sein oder in eine traurige Stimmung abzudriften.

Prädikat: Besonders lesenswert.