Rezension

Realistische Stalking-Darstellung, aber ich habe auch Kritik

Dem Wahnsinn entkommen - Ralf Scharrer

Dem Wahnsinn entkommen
von Ralf Scharrer

Bewertet mit 3.5 Sternen

Seit 5 Jahren wird Sarah gestalkt. Max ist reich, ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft und trotzdem macht er ihr das Leben zur Hölle. Sein Psychoterror wird mit jedem Tag schlimmer und scheint kein Ende zu finden. Sarah ist ganz allein, isoliert und mit den Füßen ganz kurz vor dem Abgrund. Die Hoffnung, dass er irgendwann aufhört hat sie längst aufgegeben. Wie also soll das alles enden? Wird er einen Fehler machen und etwas tun, dass nachweislich illegal ist, oder wird Sarah am Ende tot sein, von Max ermordet, wie so viele andere Stalking Opfer?

 

 

Das Buch beschreibt den Psychoterror und die Angst, die mit Stalking einhergehen wirklich sehr realistisch. Ich selbst wurde gestalkt, zum Glück nicht so extrem wie Sarah, aber dennoch, ich weiß, wie sich diese Angst anfühlt. Die Zweifel, ob man sich etwas einbildet, oder nicht. Steht er wirklich da und beobachtet dich, oder bildest du dir das nur ein? Wirst du verrückt oder ist er es? Die Angst vor jedem Telefonklingeln und wie sehr einen die Angst auch noch Jahre später verfolgt, indem man sich monatelang überlegt, ob man sich bei den Sozialen Medien anmelden soll, ob man es wagt ein Bild von sich zu zeigen. Ich weiß, wie das ist. Diese Angst lässt einen niemals ganz los.

Man spürt die Angst in diesem Buch. Man ist ganz nah bei Sarah und spürt, wie sie daran zerbricht.

 

Ich habe zwei Kritikpunkte: 

Verliere ich am Anfang die Orientierung. Zuerst sagt Sarah (deren Namen man erst später erfährt) ihr Stalker sei ihr Mentor. Später sagt sie es sei Max, ein Mann, den sie auf einer Kreuzfahrt kennengelernt hat. Aber so wie ich die Geschichte zwischen ihnen erlebe, war er nie ihr Mentor, sondern eine Affäre. Das ergibt für mich also keinen Sinn.
Es gibt im Buch einen Punkt, an dem Sarah eine Entscheidung trifft, die zieht eine ganze Menge weiterer Entscheidungen nach sich für die alle dasselbe gilt: ich kann sie absolut nicht nachvollziehen. Ich verstehe einfach nicht, wie sie so – in meinen Augen: dumm sein konnte! Das macht mich richtig wütend! Ich verstehe absolut nicht, warum sie sich so entscheidet. Absolut nicht! Ich hätte das nie im Leben getan. Und die weiteren Entscheidungen genauso wenig. 

 

Das Buch ist immer wieder sehr spannend, vor allem dann, wenn Max komplett die Kontrolle verliert. Ich meine, wir alle kennen die Statistiken und die Berichte aus dem Fernsehen, wenn mal wieder – ja, mal wieder, denn es ist nichts Seltenes! – eine Frau von ihrem Stalker umgebracht wird. Man wartet irgendwie darauf, dass Max versucht Sarah umzubringen. Man hat die ganze Zeit, genauso wie Sarah, genau davor Angst. Wie sie glaubt man Max überall zu entdecken, fragt sich, wie weit er noch gehen wird.

 

 

Fazit: Ich finde dieses Buch wichtig. In Zeiten von Serien wie „You“, die einige wirklich „romantisch“ finden und sich zu Aussagen hinreißen lassen, wie „er liebt sie so sehr, dass er sie stalkt“ ist so ein Buch umso wichtiger. Nur fürs Protokoll: ich mag die Serie auch, aber ich sehe sie wie „Dexter“, man ist irgendwie auf der Seite des „Bösen“, obwohl einem klar ist, dass er böse ist und schlimme Dinge tut. Ich finde Joe nicht romantisch, er ist gruselig. Ich finde die Serie, als Serie gesehen sehr gut, aber wenn man noch nie mit dem Thema zu tun hatte oder eine andere Beziehung zu der Serie hat, dann kommt sie vielleicht wirklich bei einigen als „romantisch“ an. Bei mir allerdings nicht.

Stalking hat nichts mit Liebe zu tun. Die Täter reden sich ein es gehe um Liebe. In Wirklichkeit geht es um Kontrolle und Macht. Der Täter will das Opfer besitzen, er will die absolute Kontrolle. Es geht um Isolation und Psychoterror. Dieses Buch zeigt das sehr deutlich. Ich vermute, dass Sarah sich bei meinem 2. Kritikpunkt so verhält, um zu zeigen, welche Fehler man als Opfer machen kann. Dennoch kann ich ihr Verhalten an diesem Punkt einfach nicht nachvollziehen. Das liegt vielleicht auch an meinen persönlichen Erfahrungen, das kann sein.

 

Ich möchte das Buch allen ans Herz legen, die einmal das „wahre“ Gesicht von Stalking sehen wollen. Ich denke, es kann viel zur Aufklärung über die Thematik beitragen.

 

Den Inhalt, die Charaktere und dergleichen bekommen von mir 3,5 Sterne. Ich fand die Darstellung von Sarahs Angst wirklich ganz toll, konnte ihr Verhalten aber mehr als einmal absolut nicht nachvollziehen.