Rezension

Reise in ein fremdes Land

Alles was Sie sehen ist neu - Annette Pehnt

Alles was Sie sehen ist neu
von Annette Pehnt

Bewertet mit 3.5 Sternen

Erschöpft nach der langen Reise aber gespannt auf alles Neue landet eine deutsche Reisegruppe in Kirthan. Bestens betreut von ihrem Reiseführer Nime und ausgestattet mit Kameras und einem mit Empörung oder Neugier getarnten schlechten Gewissen in einem Land zu urlauben, in dem eine totalitäre Regierung herrscht machen sie sich daran das Land kennenzulernen in dem heilige Tempel nicht weit entfernt von übervölkerten Neubaugebieten liegen.

Mit stimmungsvollem Erzählton wirft Pehnt den Leser zusammen mit der Gruppe mitten hinein in dieses fremde Land. Mit wenigen Worten haucht sie ihren Figuren gekonnt Charakter und Leben ein. Bei den sieben verschiedenen Perspektiven die auf unter 200 Seiten untergebracht sind, ist das auch essentiell. Denn man begleitet nicht nur die Reisegruppe.

Auch wenn verschiedene Personen erzählen, erfahren wir immer etwas über Reiseleiter Nime. Er selbst kommt dabei allerdings nie zu Wort. Wir werfen unter anderem einen Blick in seine Schulzeit und seine Ausbildung. Lernen sein Heimatdorf kennen, aus dem alle jungen Leute zum Geldverdienen in die Stadt verschwunden sind und treffen irgendwann wieder auf die Reisegruppe. Ganz typisch ist diese Gruppe nach wie vor beschrieben, aber neben allen vorangegangenen Geschichten wirkt sie nun seltsam grotesk. Generell fand ich die Art nur mit dem Blick von außen über eine Person zu berichten eine gute Idee, die dem Roman seinen besonderen Touch gibt.

Nebenbei erfährt man hier auch immer etwas über das fiktive Kirthan, das ein Synonym für China zu sein scheint: Armut, behördliche Willkür, Ausbeutung und immer wieder Gehorsam zeichnen ein beklemmendes Bild des Landes. Warum ein fiktiver Name für das Land gewählt wurde, war mir leider nicht ganz klar.

Womit mal als Leser hier allerdings klarkommen muss, sind offene Fragen. Schließlich sind die Einblicke in die verschiedenen Leben teils nur ein paar Seiten lang und hier stellt sich die lebendige Charakterisierung quasi selbst ein Bein: Man will mehr wissen! Man will hören, wie es weitergeht mit Nime, mit seiner Familie, mit der Frau aus dem Dorf. Aber genau das ist nicht Pehnts Intention. Ebenso offen und mehr oder minder Interpretationssache ist das Ende des Romans und das muss man eben mögen.

Insgesamt ein kleiner feiner Roman, der sehr gekonnt geschrieben ist und in dem viel zwischen den Zeilen steht. Nichts für's schnelle durchschmökern aber eine intensive Reise in eine fremde Welt.