Rezension

Reise ins Ich mit einer Prise Mord

Mord auf Tour -

Mord auf Tour
von Luc Winger

Bewertet mit 5 Sternen

Nicht die Krimihandlung, sondern neben Reiseschilderungen und Amerika-Feeling steht die Selbstfindung von Lucie und Patric im Vordergrund

„Mord auf Tour – Neue Horizonte“ von Luc Winger ist bereits der 21. Band der Cosy-Krimi-Reihe mit der Kommissarin Lucie Girard im Mittelpunkt.

Klappentext:
Lucie Girard ist mit ihrer Familie unterwegs auf Tour durch die USA. Sie haben vor, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten eine Freiheit zu entdecken und zu genießen, die sie in ihrem südfranzösischen Alltag bisher nicht gefunden haben. Die Reise wird zu einer Entdeckungstour ins ICH. Was dabei entsteht …

Nicht nur der Klappentext, auch das Cover macht klar: dies ist keiner der üblichen St. Tropez-Krimis. Kein südfranzösisches Flair, sondern amerikanisches Ambiente ist zu erwarten. Dennoch, Lucie und Patric sind Franzosen, somit gibt es nach wie vor im Text sowohl eingestreute französische Begriffe als auch englischsprachige. Die Reiseroute quer durch Amerika bringt nicht nur anschauliche Landschaftsbilder, von einsamen, schnurgeraden Highways, eindrucksvollen Felsenformationen, sowie von Metropolen mit Menschenmassen und vom Vergnügungszentrum Las Vegas, sondern man gewinnt Einblicke in den American Style of Life – vom Luxushotel über Campingplätze bis zu ärmlichen Verhältnissen, inklusive Begegnungen mit Menschen aus den verschiedensten Schichten.

Der Schreibstil ist flüssig, die kurzen Kapitel sind mit Orts- und einigen Zeitangaben versehen. Das Buch erschien 2023. Die Handlung spielt im Jahr 1979. Ich kenne fast alle Bände der Serie und verfolge nicht nur die Fälle, sondern auch die charakterliche Entwicklung der Protagonisten seit Beginn. Im Prinzip ist der Roman ohne Kenntnis der Vorgängerbände problemlos lesbar und der Personenkreis ist überschaubar. Für Kenner der Reihe fügt sich diese Geschichte sinnvoll und verständlich ein, ebnet den Weg für Fortsetzungen und formt Lucies Persönlichkeit. Für Quereinsteiger, die sich primär eine Krimihandlung erwarten, sind vermutlich der Reisebericht und die familiären Passagen zu dominant und die Spannungsmomente zu spärlich.

Der (wenn auch kurze) Krimipart ist durchaus spannend und bringt Action seitens der amerikanischen Exekutive ins Spiel. Ich fand auch die Idee des Autors, wie er in die Reise einen Kriminalfall eingebaut hat und somit Lucie Möglichkeit zum Ermitteln bot, ausgezeichnet. Man darf sich nur keine 0815 Mördersuche erwarten, mit verschiedenen Verdächtigen, in die Irre leitenden Spuren und Miträtseln, aber Grund zum Mitfiebern gibt es.

Der Schwerpunkt des Romans liegt eindeutig auf der Selbstfindung der Protagonisten, auf deren Erkenntnis, dass sie sich doch in ihrer Heimat Frankreich, an der Côte d’Azur, am wohlsten fühlen, dass die Freiheit nicht in der weiten Welt sondern in der eigenen Einstellung zu finden ist, und last but not least, wie ihre Zukunft werden soll. Diese charakterliche Wandlung ist gut nachvollziehbar dargestellt. Durch das enge Zusammenleben und das gemeinsame Bewältigen von Schwierigkeiten, die auf einer solchen abenteuerlichen Reise unweigerlich auftreten, lernt das Paar Wesenszüge und Eigenschaften des Partners kennen, die im stressigen Arbeitsalltag nie auffielen. Sie lernen nicht nur ihre Heimat schätzen, sondern auch einander. Letztlich stärkt die Reise ihre Beziehung.

Dieser Band war zwar nicht so prickelnd wie frühere Bände, hat mir dennoch gut gefallen, vom Stil her, von den Einblicken in die Psyche der Protagonisten, ebenso vom vermittelten USA-Feeling. Als langjähriger Lucie-Fan hat mich ihr Abenteuer wiederum gefangen genommen und mir ebenso entspannende wie auch spannende Lesestunden geschenkt. „Mord auf Tour“ bot somit einen vielversprechenden Übergang zu zukünftigen, sicher wieder von der ersten bis zur letzten Seite fesselnden Mordfällen. Darauf freue ich mich schon jetzt!