Rezension

Roadtrip durch Kriegsgebiet, traurig, humorig, lesenswert

Der Tod ist ein mühseliges Geschäft - Khaled Khalifa

Der Tod ist ein mühseliges Geschäft
von Khaled Khalifa

Die Geschichte der drei Geschwister, die den Leichnam ihres Vaters quer durch das Kriegsgebiet Syriens fahren, um ihn an seinem Geburtsort zu beerdigen, ist ein Eintauchen in eine für uns unbekannte Welt. Bulbul, ein Mann mittleren Alters, der um keinen Preis auffallen will, sich auf gar keinen Fall irgendeiner Partei zugehörig wissend, sieht sich gezwungen, den letzten Willen seines Vaters zu erfüllen. Dieser hat ihn angewiesen, ihn im Grab seiner Schwester zu beerdigen. An sich nichts ungewöhnliches, müsste er dafür nicht mitten durch das Kriegsgebiet fahren, das Syrien inzwischen ist. Trotzdem macht er sich auf den Weg mit seinem Bruder Hussain, einst hoch gelobt, geliebt, intelligent und letztendlich als junger Mann der Familie entflohen, und seiner Schwester Fatima, geschieden und ihren Brüdern ergeben. Er versucht mit allen Mitteln, den kümmerlichen Rest der Familie zusammenzuhalten. Der Autor lässt Bulbul den Leichnam seines Vaters abholen, in den Minivan seines Bruders legen, um nun den beschwerlichen Weg nach Hause zu nehmen. Der Beginn eines Roadtrips der anderen Art. Dabei müssen sie für die normalerweise in ein paar Stunden zu überwindende Strecke übermäßig viel Zeit einplanen. Alle paar Kilometer werden sie an einem der vielen Checkpoints aufgehalten, bei der sie nie wissen, wer nun gerade welche Macht inne hat. Sind es Regierungstrupps? Aufständische?, Revolutionäre?, streng Gläubige?
Meist vergehen Stunden, bis sie wieder weiterfahren können. Diese Zeit nutzt der Autor, um in Rückblenden voller Melancholie die Geschichte der Familie zu erzählen. Meist fangen diese mit Bulbul an, der von seinem Vater in dessen letzten Lebensmonaten, die er bei seinem Sohn verbringt, so einiges erfährt. Wie es so war, in den 40 Ehejahren mit einer Frau, die er eigentlich nie geliebt hat. Mit seiner eigentlichen Liebe, die er am Ende doch noch hat heiraten können. Dieser Teil der Geschichte erinnert einen an das Buch von Gabriel García Márquez "Die Liebe in den Zeiten der Cholera". Vom Vater erfährt er die wahren Hintergründe über den Tod seiner Tante Laila, in dessen Grab der Vater unbedingt will. Diese Tante, die sich verbrannt hat und deren Geschichte in ihrem Heimatort ewiglich weitererzählt wird. Hussain, der so Intelligente, der als junger Mann in falsche Kreise gerät und mit der Moral und den Werten des Vaters bricht. Der seinen eigenen Weg gehen will, erst im Gefängnis landet, bloß, um danach an gleicher Stelle doch wieder weiterzumachen, keinen Schritt weiterkommt. Und immer wieder Bulbul, der sich nichts traut, und wie der Vater auch er einer Liebe hinterherrennt, er den Zeitpunkt verpasst, sich zu erklären. Khalifa beschreibt das ungefähr so: der Brautstrauß schwimmt an einem vorbei, doch der Zeitpunkt, ihn zu ergreifen, den muss man finden.
Die Mühsal, mit einem Leichnam Tagelang unterwegs sein zu müssen, ohne die entsprechende Kühlung, das ist wahrlich ein mühseliges Unterfangen. Vor allem, wenn man dem Zerfall dabei regelrecht zusehen muss. Irgendwie kommt einem da beim Lesen gewisse Düfte in die Nase, die man wahrlich nicht riechen will. Die Erlebnisse bei den einzelnen Checkpoints, hier verhaftet, dort Papiere nachreichen, stramm stehen, den Buckel machen, viel Geld zwischen die Ausweise legen, damit man wieder ein paar Meter weiterkommt, das alles stellt die Geschwister auf eine harte Probe. Fatima gehen dabei nicht nur die Tränen aus. Dabei fehlt es nicht an Beschreibungen der zerbombten Dörfer, herumstreunender Hunde, die nach dem Körper des Vaters gieren, die Geräusche des Krieges. Die Unfähigkeit Bulbuls sich stärker zu engagieren und sich zu wehren. Die Leiche des Vaters nicht einfach am Straßenrand zu verscharren.Aber der Roman lebt auch von immer wiederkehrenden Sätzen, um damit die wichtigen Passagen zu verstärken, wie es eigentlich zum Krieg gekommen ist. Durch diese Wiederholungen, der den nicht enden wollende Krieg begreifbar machen soll, wird mancher Leser womöglich verschreckt. Was nicht fehlen darf ist ein Hinweis auf die unsterbliche ägyptische Sängerin Umm Kulthum und anderer wichtiger kultureller Personen. Die Umschlaggestaltung samt Schriftbild soll die heiße, flirrende Luft der trockenen Wüste symbolisieren, der gelbe Staub, der einem die Kehle zuschnürt und die Augen tränen lässt.
Der Autor Khaled Khalifa wurde 1964 in Aleppo, Syrien geboren, studierte Jura, war Mitherausgeber einer Literaturzeitschrift, Autor zahlreicher Drehbücher und vieles mehr.
Die Übersetzung aus dem Arabischen wurde mit Mitteln des Auswärtigen Amts unterstützt durch Liprom e. V. - Literaturen der Welt.
Der Übersetzer des Buches, Hartmut Fähndrich, wurde 1944 in Tübingen geboren. Er lehrte Arabisch und Islamische Kulturgeschichte an der ETH Zürich und hat mehrere Preise für seine Arbeiten erhalten.