Rezension

Romantisches Fantasyepos!

Nachtlilien - Siri Lindberg

Nachtlilien
von Siri Lindberg

»Wenn einer blind wird, hat er die einmalige Gelegenheit,
der Wirklichkeit in die Augen zu schauen. «
© Arthur Feldmann (*1926)

Siri Lindberg ist das Pseudonym einer Autorin, die sich bereits im Kinder- und Jugendbuchbereich einen Namen gemacht hat.
Mit „Nachtlilien” legt sie nun ihren ersten Fantasyroman für Erwachsene (ich würde ihn allerdings auch für Jugendliche ab 16 Jahren empfehlen) vor, welcher 2013 endlich in einer ungekürzten Version als Taschenbuch im Piper Verlag erschienen ist.
Das Cover ist wundervoll gestaltet und passend.

Im Mittelpunkt des Romans, der der High Fantasy zuzusprechen ist, steht Jerusha KiTenaro, eine junge Bildhauerin, die in Ouenda lebt und kurz vor ihrer Hochzeit mit Dario, einem Spiegelmacher, steht, als sie erfährt, dass über ihrer Familie seit Generationen ein Fluch lastet: Jede Frau ist dazu verdammt diejenigen zu verraten, die sie liebt. Das ist auch der Grund, warum der einst so geachtete und reiche Clan nun in Armut lebt. Das kann Jerusha nicht ruhen lassen, vor allem da sie noch eine zwölfjährige Schwester namens Liriele (kurz Liri) hat, der sie dieses Schicksal auf jeden Fall ersparen will.

Deshalb macht sie sich auf, den Fluch zu brechen. Ihr Verlobter Dario hingegen hat kein Interesse daran, sie auf dieser Reise zu begleiten. Zum Abschied schenkt er ihr allerdings einen kleinen Taschenspiegel, den sie benutzen soll. Jerusha, die völlig uneitel ist, sähe es lieber, wenn Dario ihr beistünde und steckt den Spiegel ein, wo sie ihn lange Zeit beinahe vergisst. Genauso wie Dario. Denn auf ihrer Reise begegnet sie Kiéran SaJintar, dem Escadràn der Terek Denar, aus dem Fürstentum Yantosi, der in einer Schlacht verwundet wurde und seitdem blind ist. Nur durch ein Amulett, das Geschenk eines Ordens (aus dem Tempel der schwarzen Spiegel, in dem er gesund gepflegt worden ist), kann er Umrisse von Dingen und Menschen, so genannte Auren wahrnemen. Jerusha verliebt sich in ihn und nun wird es für sie wichtiger denn je, den Fluch für immer zu brechen. Denn ihn will sie auf keinen Fall ins Unglück stürzen und verlieren. Also trifft sie eine mutige und gefährliche Entscheidung, die ihr Leben für immer verändern wird.

Mit „Nachtlilien” ist Siri Lindberg ein spannender Fantasyroman gelungen, der geradezu episch anmutet. Der Roman ist sowohl feinfühlig als auch fesselnd geschrieben, die Hauptfiguren sind lebhaft und eindrucksvoll gezeichnet und erscheinen beim Lesen vor dem geistigen Auge, als gute Freunde, die man gern begleitet. Man fiebert mit Jerusha mit, die verzweifelt versucht den Familienfluch zu brechen und sich damit in große Gefahr begibt. Gleichzeitig leidet man mit Kiéran mit, der sich in einem völlig neuem Leben zurecht finden muss, dem man nicht nur seinen Beruf und Status nimmt, sondern von dem sich auch einige Menschen (wie seine Verlobte Milly) abwenden, als sie erfahren, dass er blind ist und auch für immer bleiben wird.

Dazu taucht der/die Leser/in in eine unbekannte Welt ein, die ihm/r nach nur wenigen Seiten schon so vertraut erscheint und er/sie nicht mehr verlassen möchte. Wir begegnen fremden Wesen, wie den Elis, Cinayas, den Hunderthändern, Skraelings oder einem Schattenspringer namens Grísho, der mit Jerusha befreundet ist. Alle Wesen werden so gut beschrieben, dass man sie sich ganz leicht vorstellen kann.

Ebenso die Anderswelt. Die Autorin hat eine Skizze von der erdachten Welt angefertigt, die dem Buch beigefügt wurde, damit man beim Lesen nachsehen kann, in welchem Bereich man sich gerade befindet. Siri Lindberg führt uns in die geheimnisvollen Reiche der Traumweberinnen, des Mondvolks und der Drachen. Und das sind die einzigen Wesen, die auch aus anderen Fantasyromanen bekannt sind.

Das Buch wird vor allem durch die beiden Hauptpersonen Jerusha und Kiéran getragen, die auch die Haupterzählstränge bilden. Zusätzlich gibt es teilweise Einschübe, die von einer anderen Perspektive aus erzählt werden, wie zum Beispiel aus Darios Sicht. Aber auch die Nebenfiguren werden von der Autorin liebevoll in Szene gesetzt und erhalten ihren Auftritt.

Das Buch ist nicht nur in Kapitel eingeteilt (ein Markenzeichen der Autorin sind Kapitelüberschriften) sondern auch in drei große Teile:1. Teil: Schwarze Spiegel; 2. Teil: Drachenschwester; 3. Teil: Der Atem der Dunkelheit.

Das fast 600 Seiten lange Epos ist derart romantisch, packend und wundervoll geschrieben, dass man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen will. Deshalb wird es Fans sicher freuen, zu hören, dass eine Fortsetzung in Arbeit ist und noch heuer erscheinen wird.
Auf der Website der Autorin findet sich auch noch ein Zusatzkapitel von „Nachtlilien”, das leider aus dem Buch herausgeschnitten wurde.

Fazit: „Nachtlilien“ ist ein atemberaubendes, romantisches Epos, mit sympathischen Hauptfiguren und grausamen Gegenspielern, in einer wohldurchdachten und liebevoll gezeichneten Welt voller Geheimnisse. Beim Lesen taucht man in die Geschichte ein, vergisst darüber die Realität. „Nachtlilien” ist ein erfreifendes Leseerlebnis für Leser, die das Träumen noch nicht verlernt haben. Vor allem Fans von „Der Herr der Ringe” oder „Die Tribute von Panem” werden dieses Buch lieben.