Rezension

Russische Seele

Das Pferd im Brunnen -

Das Pferd im Brunnen
von Valery Tscheplanowa

Bewertet mit 3.5 Sternen

Frauen in Russland und ihr Leben

‚Komm, Kleine, Süße, Zuckersüße...‘
Tanja mit ihrer Urenkelin, sie haben alle jung Kinder bekommen. Sie geht mit der Kleinen zu Nachbarinnen und das Kind tapst denen auf dem Rücken herum, gegen deren Schmerzen… Wie praktisch. Alles war praktisch organisiert in der UdSSR, dem Land des Mangels. Man pflanzte selbst an. Man half sich wie es ging. Man hielt Hühner und züchtete die auch selbst. Ob wirklich ein Pferd in den Brunnen gefallen war, ist nicht sicher. Genauso wenig ob es wirklich ein Brunnen ist, was da mit viel Holz verrammelt liegt...
Die Erzählung berichtet von der heimlichen Taufe, von der Todestruhe der Urgroßmutter (in der ihr Todeshemd, die Schuhe und ein Kissen ruhen, wo sie alle Haare von ihr sammelte…in dem sie dann später Nina tatsächlich beerdigte...)

Ossip Mandelstam sagte, in Russland werde die Dichtung geachtet, weil die Literaten erschossen werden. So kann Valery Tscheplanowa froh sein, dass sie im Westen lebt. Und so kann sie von der schwermütigen russischen Seele erzählen… und eine jede, die auch Spuren dieser Seele in sich trägt, kann nachforschen, wie viel davon noch in ihr steckt…

Tanja, Nina, Lena (daneben noch so ein wenig Micha, Walja, Jura, Slawa der Einbeinige, die Kranken, die Nachbarinnen...). In kurzen Kapitel entrollt sich ein brutales Leben, geprägt von Kargheit, Schlangenstehen, Weggehen, Verlassen, Radieschensalat und diesem angeblichen Pferd in einem eventuellen Brunnen.
Man hilft sich gegenseitig, man hilft sich selbst. Das Leben ist kein Rosengarten, das Leben lässt nur die Starken überleben und Nina will stark sein. Ihr Kirschmündchen zieht sie an wie die Motten das Licht, doch dann wirft sie Nina wieder aus dem Haus. Sie ist  brutal, aber sie überlebt...

Die russische Seele...(von der ich auch ein wenig in mir trage).

Das vor Freude, Farbe und Lebensgier strahlende Titelbild hat mich angezogen. Orange grün. Und auf den Titel war ich neugierig. Zum Glück nur 192 Seiten, sonst wäre ich depressiv geworden.

Die Autorin ist Schauspielerin, heißt es auf dem Klappentext. Die Sprache ist prosaisch, teilweise wie Gedichte.