Rezension

Schaurig-schöne Gruselgeschichten

Schauergeschichten aus dem Schlund des Tunnels - Chris Priestley

Schauergeschichten aus dem Schlund des Tunnels
von Chris Priestley

*Worum geht's?*
Die Sommerferien sind vorbei und Robert muss wieder zur Schule gehen. Statt sich darüber zu ärgern, kann er es jedoch kaum abwarten, denn dann ist er endlich seine lästige Stiefmutter los! Als er zusammen mit ihr am Bahnhof auf den Zug wartet, der ihn zur Schule bringen soll, bringt sie Robert mit einem hysterischen Schrei und einer lächerlichen Vorausahnung vor den anderen Wartenden in Verlegenheit. Kein Wunder also, dass Robert unverzüglich in den Waggon springt, als sein Zug einfährt - ohne dabei weiter über die narrenhaften Worte seiner Stiefmutter nachzudenken. Erst als er während der Fahrt einer merkwürdigen Frau begegnet, kommen sie ihm wieder in den Sinn: der Tod, ein Kuss und ein langer, schwarzer Tunnel. Die seltsame schöne Frau möchte sich und Robert die Zeit vertreiben, als die Lok mitten auf der Strecke stehen bleibt, und erzählt ihm einige schaurige Gruselgeschichten - direkt vor dem schwarzen Schlund des Tunnels...

*Kaufgrund:*
Chris Priestleys "Schauergeschichten" gehören zu meinen allerliebsten Büchern, die einen Platz ganz vorne in meinem Bücherregal sicher haben.

*Meine Meinung:*
"Eine Zugfahrt, die ist lustig, eine Zugfahrt, die ist schön"! Nun ja, für Robert, den jungen Protagonisten der Hauptgeschichte, trifft dies nicht ganz zu. Er wird während seiner Zugfahrt mit den unheimlichsten Dingen konfrontiert. Eigentlich ist er ein kluger, vorsichtiger Junge, der nur selten Leuten sein Vertrauen schenkt. Als Pragmatiker braucht er stets auf jede Frage eine realistische Antwort. An Magie, Vorausahnungen und anderen Humbug glaubt er nicht - zumindest nicht, bis er die seltsame, wunderschöne Frau in Weiß trifft, die mit ihren gruseligen Geschichten Zweifel in ihm sät...

Auch im dritten Teil der Schauergeschichten bleibt Chris Priestley seinem Aufbau treu: Er schildert die Geschichte eines Kindes, das durch besondere Umstände einen seltsamen Erwachsenen trifft, der ihm einige Gruselgeschichten erzählt. Diesmal ist es die Geschichte um den jungen Robert, der während einer Zugfahrt mit der Frau in Weiß in ein Gespräch verwickelt wird. Sie berichtet ihm von sonderbaren Pflanzen, von bestialischen Wesen, einem merkwürdigen Jungen, einer Parallelwelt und anderen seltsamen Kuriositäten. Nach jeder Kurzgeschichte gibt es eine kurze Rückmeldung von Robert und der Frau in Weiß, wodurch die Rahmen gebende Haupthandlung weitergeführt wird.

Bereits die erste Kurzgeschichte legt den Gruselmaßstab für die folgenden Erzählungen enorm hoch. Sie ist extrem gruselig, brutal und sogar ein klein wenig verstörend. Diese Horrorgeschichte verwandelt die zu Beginn noch milde, mulmige Atmosphäre sofort in eine eiskalte, die einem einen Schauer über den Rücken jagt. An dieser Stelle möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen, dass die Altersempfehlung ab 12 Jahren definitiv nicht zu hoch angesetzt ist. Sanfte Gemüter sollten die "Schauergeschichten aus dem Schlund des Tunnels" selbst mit 12 Jahren nicht lesen!

Die Auflösung der Geschichte und des Rätsels um die Frau in Weiß hat Chris Priestley großartig gestaltet. Er webt dabei alle scheinbar unwichtigen Erlebnisse und Erinnerungen Roberts ein und zeigt damit, wie wichtig es bei seinen Geschichten ist, auf die unauffälligen Kleinigkeiten zu achten. Obwohl ich von dem Ausgang des Buches begeistert bin, hat mich das Ende der "Schauergeschichten aus dem Schlund des Tunnels" nicht so sehr überzeugt wie das der zwei Vorgänger. Diesmal fiel der Überraschungseffekt vergleichsweise niedrig aus, denn das Geheimnis der Frau in Weiß war durchaus vorhersehbar.

Als kleinen Leckerbissen für Zwischendurch hat Chris Priestley an einer Stelle ein bekanntes Gesicht in die Handlung mit einfließen lassen: Onkel Montague, den Fans bereits aus dem ersten Band kennen dürften, findet auch in den "Schauergeschichten aus dem Schlund des Tunnels" Platz für einen kleinen Auftritt.

Obwohl ein Charakter aus einem der Vorgängerbände Erwähnung findet, braucht man weder "Onkel Montagues Schauergeschichten" noch die "Schauergeschichten vom schwarzen Schiff" gelesen haben. Für das Verständnis der gruseligen Kurzgeschichten sind die ersten zwei Bücher nicht von Bedeutung. Neueinsteiger in Priestleys Serie können also auch problemlos mit dem dritten Buch beginnen und erst danach die anderen Schauergeschichten verschlingen.

Die Illustrationen von David Roberts passen mal wieder perfekt zu Priestleys Schauergeschichten. Der Zeichner ist schon seit dem ersten Band der Reihe ein fester Bestandteil der gruseligen Kurzgeschichtensammlung und seither nicht wegzudenken. Ohne ihn und seine unheimlichen Bilder, in denen er Szenen aus den Geschichten auf skurrile Weise darstellt, wären die "Schauergeschichten aus dem Schlund des Tunnels" nur halb so schaurig! Ich habe mich sogar selbst dabei ertappt, wie ich nach einer Illustration Angst hatte, umzublättern und weiterzulesen...

*Cover:*
Schaurig-schön und wieder einmal perfekt! Erneut ist es der Illustrator David Roberts, der für die Schauergeschichten das Coverbild zeichnete, und damit die Leseatmosphäre grandios einfing. Allein für das Cover hätten die "Schauergeschichten aus dem Schlund des Tunnels" einen vorderen Platz im Regal verdient.

*Fazit:*
"Schauergeschichten aus dem Schlund des Tunnels", der mittlerweile dritte Band der Schauergeschichten, ist mal wieder ein toller Schocker für die jungen Gruselfans ab 12 Jahren. Chris Priestley macht seinem Namen weiterhin alle Ehre und schafft es mit neuen unheimlichen Kurzgeschichten seinen Lesern einen Schauer über den Rücken laufen zu lassen - egal, ob jung oder alt! Für schaurig-schönen Gruselspaß gibt es sehr gute 4 Sterne.