Rezension

Schicksalhafte Entwicklungen in der Elbstrandvilla

Sehnsucht nach der Villa am Elbstrand - Charlotte Jacobi

Sehnsucht nach der Villa am Elbstrand
von Charlotte Jacobi

Bewertet mit 4 Sternen

1933 Hamburg. Der erste Weltkrieg liegt zwar einige Jahre zurück, doch die politische und wirtschaftliche Situation sowie die Stimmung in Deutschland spitzt sich immer weiter zu, denn die Nationalsozialisten scharen immer mehr Anhänger hinter sich und verschärfen mit ihren menschenverachtenden Parolen die Lage immer mehr. Das bekommt auch die Reederfamilie Nieland zu spüren, die mit allen erforderlichen Mitteln versucht, ihr Auskommen zu sichern. Sowohl Sophie als auch ihre Freundin Anna sind inzwischen Ehefrauen und Mütter, sie leben mit ihren Familien unter einem Dach in der Villa der 80-jährigen Matriarchin Gudrun Nieland. Sophies Tochter Hilde gehört als Modeberaterin zum Reisetross der bekannten Sängerin Rosita und nutzt diese Möglichkeit für ihren Widerstand gegen das Naziregime. Währenddessen hat Annas Tochter Leni mit ihrem Vater Gideon Hamburg verlassen und plant im Flensburger Land die Flucht nach Palästina…

Charlotte Jacobi hat mit „Sehnsucht nach der Villa am Elbstrand“ den zweiten Teil ihrer Familiensaga vorgelegt, der dem ersten Band an Spannung und akribischer historischer Hintergrundrecherche in nichts nachsteht. Der Schreibstil ist flüssig, farbenfroh und gefühlvoll, die Seiten kleben von Beginn an an den Händen des Lesers, der sich erneut in der prachtvollen Villa einquartieren und den einzelnen Familienmitgliedern über die Schulter sehen darf. Der geschichtliche Hintergrund wurde von der Autorin wieder sehr gut mit ihrer Handlung verbunden, so dass der Leser nicht nur die aufkommende Popularität und ihre schäbige Propaganda miterlebt, sondern auch die aufkommende Angst innerhalb des Nielandhauses, da Anna  mit Gideon einen jüdischen Ehemann hat. Wunderbar verknüpft Jacobi Fiktion mit Realität, lässt reale Personen Teil ihrer Handlung werden und lässt so den Leser hautnah Geschichte miterleben. Das Schicksal der bereits durch Band 1 liebgewonnenen Protagonisten lässt nicht kalt, der Leser fiebert mit ihnen, hofft und bangt, dass am Ende alles doch gut ausgehen wird.

Die Charaktere wurden weiterentwickelt und wirken ebenso lebendig wie die neu dazugekommenen. Sie bestechen mit glaubhaften individuellen Eigenschaften, die ihnen schnell die Sympathie des Lesers einbringen, der sich an ihre Fersen heftet und Anteil an ihrem Schicksal nimmt. Sophie ist eine starke Frau, die nicht nur zupacken kann, sondern sich vor allem um ihre Lieben sorgt. Sie ist für Freundin Anna ein Fels in der Brandung, deren Familie aufgrund der politischen Veränderungen im Land schon bald zum Ziel der Nazis wird. Hilde ist eine talentierte junge Frau mit eigener Karriere, allerdings ist sie auch ein Rebell, die sich im Widerstand betätigt und sich dadurch wissentlich in Gefahr bringt. Gudrun Nieland ist der Familienvorstand, die das Herz am rechten Fleck trägt, jedoch resolut durchgreifen kann, wenn es nötig sein sollte. Aber auch Leni, Willy, Gideon, Hinnerk oder Burkhard tragen ihren Teil dazu bei, dass die Geschichte durchgehend abwechslungsreich und spannend bleibt.

„Sehnsucht nach der Villa am Elbstrand“ ist eine gelungene unterhaltsame Fortsetzung, die vor einem sehr gut recherchierten historischen Hintergrund Einblicke in die unterschiedlichsten Familienschicksale gibt, persönliche Entwicklungen vorantreibt und der Liebe Raum gibt. Gefühlvoll und spannend erzählt, so dass der Leser den dritten Band kaum erwarten kann! Verdiente Leseempfehlung!