Rezension

Schiffbruch einer Familie

Der schweizerische Robinson - Johann Rudolf Wyß

Der schweizerische Robinson
von Johann Rudolf Wyss

Bewertet mit 4 Sternen

Die fünfköpfige Familie des schweizerischen Predigers hat Glück im Unglück. Als ihr Schiff im Sturm sinkt und die Mannschaft sie im Stich lässt, können sie sich auf eine Insel retten. Wie Robinson Crusoe können sie sich ihr Leben auf dem Eiland ganz gut einrichten, doch die Insel bietet neben atemberaubender Fülle auch Gefahren.

Auch als „Familie Robinson“ hat dieses Buch Klassikerstatus. Im 19. Jahrhundert als Erziehungsgeschichte erzählt und schließlich wegen ihres Umfangs schriftlich festgehalten, entwickelte sich eine spannende Familienrobinsonade, die trotz ein paar Schwächen und zeitgebundener Moral auch heute noch sehr gut unterhält. Mein einziger Kritikpunkt ist die Perfektion der Insel und des Vaters. Der Vater kann alles – aber auch buchstäblich alles. Wozu andere eine jahrelange Ausbildung brauchen, das hat er vom gelegentlichen Zusehen und aus Büchern gelernt, sodass er es auf der Insel abrufen kann. Es fehlte nur noch, dass er sich als Glasbläser betätigt. Die Insel muss ein Ableger des Schlaraffenlandes sein, denn dort lebt und wächst so ziemlich alles, was die Erde jemals hervorbringen konnte – abgesehen von Koalas und Pinguinen. Wenn dann also im rechten Moment ein Gummi- oder Korkbaum auftaucht, hielt man schon mal nach den fliegenden gebratenen Tauben Ausschau. Diese spontanen Entdeckungen von den Dingen, die gerade gebraucht wurden, hielten bis zur letzten Seite an und gingen mir zwischendurch gehörig auf den Geist.

Diese ungekürzte Ausgabe aus dem Tredition Classics-Verlag ist eine der wenigen, die die Geschichte in einer originalen Fassung bietet. Da sie nie als Buchausgabe geplant war und erst im Nachhinein zu einer wurde, ist es schwierig zu sagen, dass die Ausgabe unbearbeitet ist, aber die vorliegende kommt dem auf jeden Fall sehr nahe. Als besonderer Bonus wartet das Buch von Tredition mit den ersten Illustrationen auf, die C. Lemercier für den Schweizerischen Robinson geschaffen hat.

Fazit: Ein spannender, bunter Abenteuerroman, der alles hat, was man sich nur wünscht. Wer Robinsonanden mag, die Anime-Serie oder den Film kennt, sollte sich unbedingt auch an das Buch wagen!