Rezension

Schlecht durchdacht und an den Haaren herbeigezogen

Seelen, 8 Audio-CDs - Stephenie Meyer

Seelen, 8 Audio-CDs
von Stephenie Meyer

Bewertet mit 2 Sternen

Geschichte und Erzählstil:

Stephenie Meyer... ich bin nicht wirklich ein Fan von ihr und ihren Büchern. Es gibt kaum ein Buch, das ich schlechter fand als Twilight und seine Nachfolger. Jetzt fragt ihr euch sicher: Warum liest man dann ein anderes Buch von der Autorin? Ganz einfach - vor einiger Zeit habe ich den Film "Seelen" gesehen und fand ihn im Großen und Ganzen gar nicht schlecht. Klar, die Story war müde, aber die Idee dahinter hat mich fasziniert. Und ich hatte ein wenig Hoffnung, dass das Buch noch detaillierter wäre und mir Antworten auf Fragen geben könnte, die der Film offen ließ. 

Zuallererst: Die Idee ist wirklich großartig. Mir gefällt die Vorstellung von außerirdischen Wesen als eine Art Seelen, als Parasiten, die fremde Körper besetzen und dabei hochentwickelt und intelligent sind. Ich finde es unheimlich spannend, wie die Seelen nach und nach die Erde besetzen und sie nach ihren Vorstellungen umgestalten. Und man muss ja sagen, dass ihre Gesellschaft wesentlich fortschrittlicher ist als die der Menschen. Beinahe utopisch: Man lebt im Einklang miteinander, es gibt keine Gewalt und keine Lügen, man vertraut jedem bedingungslos, es gibt kein Geld mehr - nur noch das Gemeinwohl und den Platz jedes einzelnen darin. Okay, was heißt "beinahe utopisch"? Es ist utopisch. Wären da nicht die vereinzelt übrig gebliebenen Menschen im Untergrund, die sich nach wie vor gegen die Fremdbestimmung zur Wehr setzen und wenn nötig bis auf den Tod gegen die sogenannten Sucher, die Polizei der Seelen, kämpfen. 

Es gibt also eine Menge Stoff für eine fantastische Science-Ficiton Geschichte. Und zumindest der Hauptcharakter, die Seele Wanda, lässt auch noch hoffen. Denn sie hat tatsächlich eine Identität, die sich so stark von der eines Menschen unterscheidet, dass man in ihr zwangsläufig etwas Fremdes, Außerirdisches sehen muss. Und das ganz ohne dass sie ein kleines, grünes Männchen wäre. Ich glaube, mit Wanda will uns Stephenie Meyer den idealen Menschen präsentieren und das ausgerechnet in der Gestalt eines außerirdischen Parasiten. Ein starkes Statement, ganz zweifelsohne.

So und jetzt komme ich zum "Aber", das man sicherlich schon leicht herausgelesen hat. Und ein bisschen muss ich mich doch über mich selbst ärgern - wenn ich Twilight so dermaßen ätzend und kitschig fand, wie könnte mir Seelen dann besser gefallen? Rückblickend frage ich mich wirklich, wie ich auf diese Idee gekommen bin. Also: Die Basis stimmt und hat jede Menge Potenzial, was Stephenie Meyer aber daraus macht ist (entschuldigt bitte, aber ich kann nicht anders) in meinen Augen unter aller Kanone. Da wird über fast 900 Seiten hinweg geschwafelt, geschwafelt, geschwafelt. Es gibt keine wirkliche Bedrohung - so gut wie nie! Wo sind denn die Sucher, die hinter den Menschen herjagen? Was tun eigentlich die Menschen, außer sich in einem Erdloch zu verschanzen und alle paar Wochen ans Tageslicht zu gehen, um Essen zu klauen? 

Die Antwort: Sie labern sich voll, stänkern durch die Gegend, tragen Hahnenkämpfe aus oder haben sich wahlweise alle ganz lieb. Und die Seelen - die haben sich auch alle wahnsinnig lieb, abgesehen von der bösen Sucherin, die irgendwie ein Querschläger ist, aber dann doch keine große Rolle spielt. Wanda lässt sich problemlos davon überzeugen, dass Menschsein viel cooler ist, und will sich permanent für alles und jeden opfern. Und dann ist da noch die komplett an den Haaren herbeigezogene Viereck-Lovestory - eigentlich das einzige, das ab und an mal ein Problem aufwirft. Klar, Jared liebt Melanie, die irgendwo tief vergraben in ihrem eigenen Körper steckt. Und Wanda steht dank Melanies Erinnerungen auch irgendwie auf Jared, was der natürlich gar nicht passt. Und dann kommt noch Ian dazu, der sich selbstverständlich nicht in Melanies Körper, sondern in die derzeit dort gastierende Seele verguckt.

Junge, Junge. Was für eine lahme Handlung. Und leider macht es auch der Weltenentwurf nicht besser, denn Meyer wirft die Außerirdischen auf die Erde, gibt ein paar schwache Infos und das war's. Keine Aussage dazu, wie es diese körperlosen Wesen geschafft haben, die Erdherrschaft an sich zu reißen. Wie sie sich organisieren. Das Schärfste sind aber die Planeten, die sie vorher schon besetzt haben. Es gibt da etwa einen Blumenplaneten, einen Spinnenplaneten, einen Delfinplaneten und einen Bärenplaneten. ..... Ernsthaft? War das jetzt ein Kinderbuch für 4-Jährige oder ein Jugendroman? Wie soll man denn so etwas ernst nehmen können? Spätestens hier war ich komplett raus, denn damit hat Meyer die ganze Geschichte meiner Meinung nach ins Aus befördert. 

Man merkt einfach ganz deutlich, dass sie diese Idee mit den Seelen hatte, sie aber schlichtweg nicht weiter denken wollte oder konnte. Es gibt keinen Rahmen, der auch nur im Entferntesten Sinn ergibt. Im Großen und Ganzen ist das einfach nur eine schwachsinnige Liebesgeschichte mit etwas anderem Background. Und einer gespaltenen Protagonistin, deren menschlicher Teil trotz der gelegentlichen Einwürfe und inneren Monologe viel zu unpräsent ist. Ich habe immer noch keine Ahnung, wer Melanie eigentlich ist. Auch hier wurde das Konzept einfach nicht zu Ende gedacht. Eine körperlose Figur, die lediglich ab und an mal als Stimme aus dem Off auf den Plan tritt, verliert eben leider nach den ersten Seiten, auf denen man das noch erfrischend anders und vielleicht innovativ fand, ihren Reiz.

Sprecher:

Ulrike Grote liest Seelen und schlüpft in die Rollen von Wanda und Melanie. Mir hat ihre Interpretation sehr sehr gut gefallen - Ulrike Grote weiß ihre Stimme perfekt einzusetzen und verleiht jedem Charakter seine eigene Identität. Ihre Art, die Geschichte zu erzählen, hat mich auf jeden Fall auch dann am Ball bleiben lassen, wenn die Geschichte selbst mich nicht überzeugt hat (was eigentlich überwiegend so war).

Mein Fazit:
Hätte ich dieses Buch gelesen und mir nicht auf dem Weg zur Arbeit vorlesen lassen, hätte ich es abgebrochen. Davon bin ich überzeugt. Denn obwohl mir die Ausgangssituation und die Seelen als außerirdische Wesen gefallen, ist die gesamte Geschichte durchweg oberflächlich, an den Haaren herbeigezogen und stellenweise richtiggehend lächerlich. Es passiert fast nichts - abgesehen von den Kämpfen, die Jared und Ian ausfechten, weil sie beide auf den gleichen Körper stehen, in dem zwei unterschiedliche Mädchen hausen. Also nein. da war ich einfach raus. Auch das Drumherum kann man einfach nicht ernst nehmen (ich komme immer noch nicht über den Delfinplaneten hinweg...). Seelen möchte ein Science-Fiction-Roman, vielleicht sogar eine Dystopie sein - was aber dabei herauskommt, ist eine dröge, endlos in die Länge gezogene, super schmalzige Lovestory. Für mich ein klarer Reinfall.