Rezension

…schmackhafter Appetizern auf das weitere Werk Gustave Flauberts!

Bibliomanie -

Bibliomanie
von Gustave Flaubert

„Kleines Büchlein, doch innerlich ganz groß“ so lassen sich die Publikationen der Insel-Bücherei durchaus treffend charakterisieren. In feiner, bibliophiler Ausstattung erfreute mich bisher jeder Band, der bisher seinen Weg in eines meiner Bücherregale gefunden hat, und verlockte mich so, auch einen interessierten Blick auf mir bisher Unbekanntes zu werfen…!

Alles im Leben des Buchhändlers Giacomo dreht sich um die Bücher. Sein ganzes Sein hat er ihnen gewidmet. Er liebt die Bücher. Er betet sie an. Er verehrt sie. Dabei ist es nicht ihr Inhalt, der ihn fasziniert: Er kann nicht lesen. Vielmehr ist es ihre Haptik, ihr Duft, ihre Aura, die Geräusche, die sie verursachen, wenn sich Seite an Seite reibt, und die Geschichten ihrer Vorbesitzer, die sich untrennbar mit ihnen vereinen. Giacomo ist ihnen verfallen – mit Haut, Haar und Seele. Als er erfährt, dass in seiner Heimatstadt Barcelona ein seltenes, besonders wertvolles Manuskript versteigert werden soll, ergreift er die Gunst der Stunde, bietet mit und unterliegt. Doch Giacomo ist ein äußerst schlechter Verlierer: Seine Liebhaberei steigert sich zur Manie. Als er erfährt, dass das Haus des Kontrahenten in Flammen steht, dringt er dort ein, um dem geliebten Manuskript habhaft zu werden. Die wilden Spekulationen seiner Nachbarn, er hätte dieses Feuer nur aus eben diesem Grund gelegt, vermag er nichts entgegenzusetzten. All sein Sein dreht sich nun nur noch um dieses eine Manuskript…!

Zarte 15 Jahre war Gustave Flaubert erst alt, als er diese Gruselstory über einen übergeschnappten Bibliophilen schrieb und dabei schon sein enormes erzählerisches Talent offenbarte. So wirkt dieses Werk überraschend reif auf mich. Sehr detailliert beschreibt er die einzelnen Stufen von einer Liebhaberei bis zur ausgewachsenen und somit krankhaften Manie. Gekonnt kreiert er eine verstörende Atmosphäre, die für mich beim Lesen bedrückend deutlich spürbar war. Sein Stil erinnerte mich an die klassischen Schauer-Geschichten eines Edgar Allan Poe, der zum Zeitpunkt der Entstehung von „Bibliomanie“ schriftstellerisch schon äußerst aktiv war. Der Stil des Älteren hätte durchaus auf den Stil des Jüngeren Einfluss nehmen können. Doch ob der junge Flaubert überhaupt die Möglichkeit hatte, Werke seines Kollegen zu lesen, bleibt fraglich.

Mit Illustrator Burkhard Neie hat die Insel-Bücherei allerdings einen Künstler für sich gewonnen, der ein geschicktes Händchen für die Erschaffung morbider und geheimnisvoller Bilder zu haben scheint. So stellen seine Illustrationen eine gelungene Ergänzung zur Geschichte dar. In Tönen zwischen Schwarz, Braun und Sepia bilden bei Burkhard Neie Bücher(-seiten) das gestalterische Element, welches die Struktur innerhalb der Szenerie vorgibt. Zudem lässt er Motten, Käfer und sonstiges Ungeziefer über die Seiten dieses Büchleins krabbeln und symbolisiert so die ungesunde und zwangsläufig in der Vergänglichkeit endenden Sucht unseres Anti-Helden.

Für mich war „Bibliomanie“ ein spannender Auftakt, um mich dem Werk Gustave Flauberts anzunähern.