Rezension

Schmerzliche vermisste Vaterliebe

Der andere Ausweg -

Der andere Ausweg
von Manuel Martensen

Bewertet mit 4 Sternen

Spannend von der ersten bis zur letzten Seite, anschauliche Insel-Atmosphäre

"Der andere Ausweg“ von Manuel Martensen ist nach „Die tödliche Rezeptur“ der zweite Fall, in dem Kommissar Walter Bork und sein Team ermitteln.

Kurzer Inhalt:
Auf der Nordseeinsel Prielsand geschah ein Mord. Vom Festland, dem fiktiven Nordsum, wird Kommissar Bock und sein Team eingeflogen. Mit der letzten Fähre schafft es auch Jonas auf die Insel zu gelangen, wo bereits seine Freundin im Hotel auf ihn wartet. Sie wollen einige Wellness-Urlaubstage gemeinsam verbringen. Kurz darauf schneidet ein Orkantief die Insel vom Festland ab. Während die Kriminalbeamten mit den Befragungen beginnen, erhält Jonas einen Anruf. Ein Unbekannter hat seine Freundin gekidnappt und droht, sie zu töten, wenn Jonas die ihm gestellte Aufgabe nicht erfüllt. Für Jonas beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Noch dazu passiert ein weiterer Mord, wodurch Jonas in Verdacht gerät und vor der Polizei flüchten muss.

Das Cover passt zur Handlung – düstere Stimmung, aufgepeitschte See, ein Mann allein auf weiter Flur, auf sich allein gestellt. Das Buch erschien 2023. Die Handlung spielt in der Gegenwart an fiktiven Schauplätzen an der Nordsee. Die Kapitel haben eine angenehme Länge, allerdings hätten Orts- bzw. Zeitangaben die Struktur verbessert. Insbesondere Perspektivenwechsel innerhalb eines Kapitels verwirren beim Lesen immer wieder. Auch die Rückblenden, zwar in Kursivschrift als solche erkennbar, sind oft nicht den Protagonisten zuordenbar. Die Chronologie der Ereignisse ist kaum durchschaubar, Angaben von Ort, Tages- bzw. Uhrzeit wären hilfreich gewesen. Der Schreibstil ist flüssig und packend. Die auf der Insel durch das Unwetter herrschende Atmosphäre, das landschaftliche Umfeld und die Lebensart der dortigen Bevölkerung sind ausgezeichnet eingefangen. Ohne Band 1 zu kennen, kam ich problemlos in die Geschichte hinein. Soweit erforderlich sind Erklärungen mit eingewoben.

Man ist von der ersten Seite an mitten im Geschehen, ist gleich einmal Zeuge des ersten Mordes, und kurz darauf beginnt bereits Jonas‘ Odyssee. Er sieht sich einer, wie es scheint, unlösbaren Aufgabe gegenüber. Die Spannung hält sich basierend auf Jonas‘ verzweifelter Suche nach Lara bzw. der Lösung der ihm gestellten Aufgabe und all der gefährlichen Situationen, in die er gerät, stets auf hohem Niveau. Cliffhanger, actionreiche Szenen machen das Buch zu einem Pageturner. Man kommt nicht umhin mitzufiebern, sich um ihn und Lara zu ängstigen. Es sind somit anfangs zwei Handlungsstränge, die erst gegen Ende zusammenlaufen. Dadurch wird die Handlung sehr komplex, teils verwirrend. Die Ermittlungen der Polizei gehen hingegen anfangs nur sehr lasch voran, nehmen erst nach dem zweiten Mord Fahrt auf. In den Befragungen kommen so nach und nach Zusammenhänge zutage, es mehren sich die Verdächtigen, man kann gut miträtseln. Als LeserIn tappt man bis zum dramatischen Showdown im Dunkeln, vor allem auch, weil die Polizei wesentliche Erkenntnisse bis zuletzt der Leserschaft vorenthält. Das Finale ist fast unerträglich fesselnd und offenbart schließlich einen Täter, den wohl niemand erwartet hat. Grundsätzlich ist die Lösung schlüssig und nachvollziehbar, dennoch blieben ein paar Fragen offen, was die Geschehnisse in der Vergangenheit anbelangt.

Im Mittelpunkt der Handlung steht einerseits Jonas, andererseits Kommissar Bork. Jonas war mir von Beginn an sympathisch, wenn auch seine persönliche Rolle in der dramatischen Situation nicht durchschaubar war. Kein einfacher Charakter, geprägt von einer unglücklichen Kindheit, einem problematischen Verhältnis zu seinem Vater. Generell zieht sich die Thematik von fehlender Vaterliebe und häuslicher Gewalt wie ein roter Faden durch den Roman, und trägt dazu bei, eine Reihe von Verdächtigen zu generieren. Haupt- wie Nebenfiguren sind  anschaulich geschildert, wirken authentisch und lebendig. Das polizeiliche Team ist mehr oder weniger markant beschrieben. Was Sympathie anbelangt, punktet Kommissar Bork nicht von Beginn an durch seine mürrische Art, doch erweist er sich im Laufe der Handlung als kompetenter Ermittler und fairer Vorgesetzter.

„Der andere Ausweg“ hat mir Lesestunden voller Spannung beschert. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Gerne empfehle ich das Buch weiter. Trotzdem vergebe ich wegen der teils verwirrenden Struktur nur 4 von 5 Sternen.