Rezension

Schräge Fahrt durch die Nacht

Trabant -

Trabant
von Stefan Sommer

Bewertet mit 5 Sternen

Georg Himmel ist ein Verfolgter - ihn verfolgen Ängste, seine Erinnerung und die Frage, ob seine Eltern wirklich die sind, für die sie sich ausgeben. Während er sich in Kroatien auf dem Junggesellenabschied seines besten Freundes mental auf die Traurede vorbereitet, erhält er eine fehlgeleitete SMS seines Vaters. Hat dieser etwa eine Affäre? Oder was steckt sonst dahinter, dass er "Lisa" verspricht am nächsten Morgen am Münchner Flughafen zu sein? Der Gedankenkreisel scheint unaufhaltbar, deshalb macht sich Georg mit seinem alten Corsa auf nach München. Während der langen Fahrt durch die Nacht rekapituliert er sein Leben (und das seiner Eltern...).

Stefan Sommer nimmt uns in "Trabant" mit auf eine schräge Fahrt durch die Nacht. Sein Protagonist ist voller Selbstzweifel, nichts Schlimmeres gibt es für Georg Himmel als vor anderen Personen zu sprechen und doch kommt er immer wieder in Situationen, wo er genau dies tun muss - beispielsweise in seinem Job als Moderator im Planetarium. Während der langen Autofahrt beginnen immer wieder Gedankenkreisel, die sich entweder um seine Ängste drehen oder um sein bisheriges Leben - und das seiner Eltern. Alles wird hinterfragt, alles wird zerpflückt, alles könnte doch anders gewesen sein als gedacht. Wäre dies alles nicht schon erschöpfend genug, hat er allerhand schräge Begegnungen, die sein Ziel - den Münchner Flughafen - immer in weitere Ferne rücken. Stefan Sommer beschreibt Georg Himmel so schräg, so im Abseits stehend, dass er absolut authentisch wirkt - es ist ein Leichtes, sich in diese Figur mit all ihren Zweifeln und Ängsten hineinzuversetzen. Fest und unerschütterlich steht sein bester Freund (der Bräutigam) Vedad an seiner Seite, gibt ihm Halt und lässt Georg Georg sein - eine wunderbarer Blick auf eine wahre Freundschaft.

Manchmal flitzen die Gedanken so rasend schnell, dass es schwer ist mitzuhalten. Georgs Gefühlswelt wird eindringlich geschildert, sodass alles was er tut und denkt Sinn macht. Interessant ist die abwechselnde Erzählweise - einerseits befindet sich Georg in der Gegenwart, der Nacht in der allerhand Ungewöhnliches passiert - andererseits geben Rückblicke auf sein Leben Aufschluss darüber, weshalb er wohl so ist wie er ist. Seine Eltern scheinen aufopferungsvoll zu sein, haben ihn stets gestützt, auch wenn sie seine Unsicherheiten nicht ganz nachvollziehen können. Die vielen Umzüge in seiner Kindheit machten Georg zu schaffen, nur die Verbindung zu den Eltern scheinen ihn retten zu können. Damals und heute träumt er sich immer wieder ganz weit weg, indem er in die Sterne schaut und (gemeinsam mit seinem Vater) einer Supernova nachgeht.

Man fiebert mit - was passiert noch alles auf seinem Weg? Wird er sein Ziel erreichen und was erwartet ihn dann? Der Spannungsbogen wird von Seite zu Seite straffer gespannt. Bis das Ende dann kommt und mich ratlos zurücklässt. Ich frage mich, hab ich denn hier irgendetwas verstanden? Und genau das vollendet das Buch so, wie es nicht anders vollendet werden kann. Mit vielen Fragezeichen und noch mehr Ausrufezeichen.