Rezension

Diese Rezension enthält Spoiler. Klicken, um alle Spoiler auf dieser Seite lesbar zu schalten.

Schrank ohne Spiegel

Schrank ohne Spiegel
von Mathias Ruch

Der Autor des Thrillers, bekannt als Entwickler vieler TV-Formate, Unternehmer und Manager diverser Firmen, scheint immer voll von tausend Ideen und Projekten zu sein und überrascht nun auch als Schriftsteller. Da sich schon die Inhaltsangabe dieses selbstverlegten Titels Recht spannend für mich gelesen hat, habe ich es kaum erwarten können, endlich reinzulesen – und damit zu sehen, was Mathias Ruch in diesem hoch angepriesenen Buch so alles für mich hat.

Den Prolog macht eine E-Mail, die den Leser bereits einmal vermuten lässt, in was für einem Unternehmen der Protagonist sprichwörtlich sein Unwesen treibt. Danach geht es in einer schönen und abwechslungsreichen Wortwahl sofort im Kopf von unserem Hauptdarsteller namens Jonas weiter. Was definitiv ungewönhlich ist und auch dementsprechend auffällt: Dass das Geschehen in der Gegenwart festgehalten wird. Finde ich tatsächlich sehr erfrischend, da ich es nicht in wenigen Geschichten selbst gerne Mal so handhabe. Entgegen der gängigen Meinung, dass jede gute Handlung in Mitvergangenheit geschrieben stehen muss, bin ich der Meinung, dass man auch gerade durch diese Zeitform eine Menge Spannung aufbauen kann.

Was mich ein wenig stört, ist die Erwähnung von so vielen Marken(-produkten). Binnen der ersten wenigen Seiten liest man explizite Handymarken, Autos, Hotelketten und natürlich Weinsorten. Die Sozialschicht, in der wir uns hier bewegen, liegt also deutlich über dem Durchschnitt.

Besonders unterhaltsam finde ich dann die vielen kleinen Details, an die der Autor hier denkt. So lässt sich französischer Dialekt etwa genau so lesen, wie er sich im klassischsten Sinne anhört.

Durch die vielen extra unterschiedlich gehaltenen Wortwahlen der in der Geschichte vorkommenden Personen wird der oft sehr schwere Spagat zwischen korrekter Charakterifizierung, sodass man als Leser die Chance hat, sich an die einzelnen Leute zu binden – oder eben auch nicht. Schon schnell kristallisiert sich nämlich auch dadurch heraus, wen man besser zu seinem Feind ernennt und wer ein Plätzchen im Herzen erhält. Nicht immer geschieht es, aber in diesem Buch dann doch, dass man besonders zur Hauptperson viel eher eine kleine Hassliebe aufbaut, anstatt pausenlos und fieberhaft hinter ihm zu stehen.

Leider ist schon sehr früh klar, worauf die Handlung hinauslaufen wird und am Ende überschlagen sich die Ereignisse sehr stark, sodass man das Gefühl nicht ganz loswird, der Autor hätte dann ganz schnell mit dem Buch fertig werden wollen. Zwar zieht sich bis dahin die Handlung nicht und es geht auch schön fließend dahin, ohne dass man durch irgendeine unangenehme Sequenz aus dem Lesefluss gerissen wird; bloß das Tempo erhöht sich zum Schluss hin.

Da viel gesprochen wird, liest es sich relativ schnell. Einen wirklichen Höhepunkt erfährt man in dem Buch allerdings nicht. Dennoch kann ich es weiterempfehlen, da es mir zu einem netten Nachmittag verholfen hat. Speziell Leser, die in erster Linie zu Thrillern greifen, werden aber wohl mit diesem Buch enttäuscht werden, da man nicht die komplexe Täterfigur zu erwarten hat, wie man sie sonst aus mörderischen Handlungen kennt. Ich persönlich empfehle es jedem, der sich gerne vom Autor abholen und dann auf dessen Welle treiben lässt.