Rezension

Sciende-Fiction trifft auf Philosophie

Gestohlene Erinnerung - Blake Crouch

Gestohlene Erinnerung
von Blake Crouch

Bewertet mit 4 Sternen

Blake Crouch wirft in seinem Roman »Gestohlene Erinnerung« (OT: Recursion) einige wirklich interessante Fragen auf, die mich auch nach der Lektüre (in meinem Fall dem Hörerlebnis) noch lange beschäftigt haben. Denn was als spannender Thriller beginnt, entwickelt sich im Verlauf der Handlung zu einem rasanten SciFi-Roman mit vereinzelt philosophischen Zügen.
 
»Mensch zu sein heißt, eine Sammlung von Erinnerungen zu haben, die einem sagen, wer man ist und wie man zu dem geworden ist.« (Rosecrans Baldwin)
 
Was aber passiert mit mir und meiner geistigen Gesundheit, wenn die Erinnerungen, die ich habe, falsch sind? Wenn sie nicht mit dem übereinstimmen, was real ist oder was ich für real hielt? Genau das passiert einer Frau zu Beginn des Romans. Sie leidet unter dem sogenannten «False Memory Syndrom«, einer Krankheit, die noch recht unerforscht zu sein scheint. Detective Barry Sutton wird auf den Fall aufmerksam und stellt Nachforschungen an, deren Tragweite er sich zunächst gar nicht bewusst ist.
Parallel dazu lernen wir Helena Smith, eine ambitionierte Wissenschaftlerin, kennen. Sie möchte ihrer an Alzheimer/Demenz erkrankten Mutter helfen und forscht mit Hochdruck daran, Erinnerungen zu »konservieren«, um sie betroffenen Menschen jederzeit wieder zurückgeben zu können. Doch ihr fehlen finanzielle Mittel, um ihre Arbeit vorantreiben zu können. Als ihr dann eines Tages eben diese Gelder angeboten werden, zögert sie keinen Augenblick.

Leseeindruck

Crouch ist ein fantastischer Autor, dem es auch hier wieder gelungen ist, seine Figuren vielschichtig und authentisch zu zeichnen. Die Story selbst ist in den Grundzügen vielleicht nicht neu, doch in dieser Form und Komplexität habe ich das Thema bisher noch nicht entdeckt. Zeitreise mittels Erinnerungen. Was für ein Coup! Denn nichts anderes sind Erinnerungen ja eigentlich – persönliche Zeitmaschinen, die jeden von uns individuell prägen und formen. Ein mächtiges Instrument, das Kriege und Morde verhindern … oder aber auslösen könnte. Und was für ein Chaos könnte man im Hirn eines Menschen anrichten, wenn es viele parallele, richtige oder falsche Erinnerungen gibt? Und was, wenn diese vielen »toten« Erinnerungen im Kollektiv auftreten?
 
Fragen über Fragen und Crouch beantwortet sie in seinem Roman äußerst kreativ und interessant. Er gibt mögliche Szenarien vor, lässt aber noch genug Raum für Spekulationen und eigene Schlussfolgerungen. Und genau deshalb macht dieses (Hör)Buch so viel Spaß, ist spannend und regt zum Nachdenken an. Im Mittelteil gab es zwar für mein Empfinden einen kurzen Einbruch bei der Spannungskurve aber insgesamt hat mich der Roman richtig gut unterhalten. Konzentration ist allerdings gefragt, um diesen Roman komplett erfassen zu können.
 
Uve Teschner macht einen gewohnt souveränen Job und verleiht der Geschichte mit seinem klangvollen Bariton eine ganz besondere Note. Perfekte Sprecherwahl wie ich finde.

Fazit

Ein interessantes sowie spannendes Gedankenexperiment, das Science-Fiction, Thrillerelemente und Philosophie gekonnt miteinander verbindet, und dabei bestens unterhält.