Rezension

Sehr gutes Buch, das fortwährend an Dichte gewinnt. Faszinierend.

Kalte Wut - Volker Mauersberger

Kalte Wut
von Volker Mauersberger

Analyse eines Lebens.

Wäre es am 7. September 1949 nicht der Hilfsarbeiter Adolf Schmitz gewesen, so hätte irgendwann jemand anders den grausigen Fund auf dem Trümmergrundstück in Wuppertal-Barmen gemacht. So aber war er es, der auf dem Weg zum Kino "Odin" , in dem man den Film "Große Freiheit Nr.7" mit Hans Albers in der Hauptrolle spielte, noch einmal kurz in den baufälligen Keller verschwand, um ein dringendes Bedürfnis zu erledigen. Das längliche, mit Lederriemen und  Bindfaden verschnürte Paket, auf das er im Dunkel stieß, enthielt einen Körper, da war er sich sicher, es musste ein Toter sein, der dort abgelegt worden war. Nachdem er die Kinovorstellung hinter sich gebracht hatte und draußen einen Schutzmann fand, den er informieren konnte, setzte sich der Polizeiapparat in Gang.

Kriminaloberinspektor Heinz Gassmann beorderte ein halbes Dutzend seiner erfahrenen Leute und bildete die erste Mordkommission. Der Fund, der sich als übel riechender, männlicher Torso entpuppte, dem man große Stücke der Extremitäten und den Kopf  abgeschlagen hatte, war kräftig gebaut, etwa 30-50 Jahre alt und ca. 1,80 m groß, ohne besondere Merkmale, was nicht verwundert bei einer derartig verstümmelten Leiche. Dass äußere Gewalt angewendet wurde, stand außer Frage. Es begannen Ermittlungen in alle Richtungen, polizeiliche Statements vor Journalisten und Aufrufe an die Bürger, sowie die Sichtung der minimalen, vorhandenen Beweisstücke und Vergleiche mit vergangenen Mordfällen. Sie sollten Licht ins Dunkel bringen.   

Urplötzlich schien ein Hinweis auf die Spur zur "Ruinen-Leiche" zu führen, als sich Kriminalinspektor Heinrich Faust aus Gevelsberg meldete. Er gab an, dass eine Frau Ellen Rinsche ihren Ehemann Josef als vermisst gemeldet hatte. Außerdem entdeckte man auf Grund eines Hinweises mehrere abgetrennte Körperteile, die verpackt und durch die Wupper angeschwemmt, in die Hände der Ermittler gerieten. So begann in dieser Nachkriegszeit, in den ersten Monaten, nachdem wieder Recht und Ordnung in dem vom Nationalsozialismus verstörten und zu Boden geworfenen Deutschland eingekehrt waren, die Auflösung eines Verbrechens, das Schlagzeilen machte und über Jahre in den Köpfen der Menschen blieb.

In realistischer, klarer Analyse wird hier das Protokoll eines Verbrechens erstellt, werden Fakten zusammengetragen, Aussagen von Zeugen und Betroffenen miteinander in Bezug gebracht, Charaktere entschlüsselt, Lebensumstände beleuchtet, Erklärungen gesucht und verworfen und Gefühle angesprochen, die Wärme, Zuneigung und Mitleid aber auch Brutalität, Berechnung und Kälte offenbaren.

Um die Ursachen dieser Tat zu entschlüsseln, legt der Autor ein ganzes Leben in die Waagschale und überlässt es dem Leser zu entscheiden, ob es als Entschuldigung ausreicht.

 Flüssig geschrieben, mit stark ansteigendem Spannungsbogen, ungeheuer intensiv mit fortlaufender Lektüre, absolut glaubwürdig und ungeschönt geschildert, ein Blick in ungeschminkte Gesichter als Überbleibsel aus einer kriegsversehrten Zeit.

 Absolute Leseempfehlung für ein kleines Buch mit großem Inhalt.