Rezension

Sehr ruhiger Roman über Familie und Andersartigkeit

Das verborgene Leben der Farben -

Das verborgene Leben der Farben
von Laura Imai Messina

Bewertet mit 5 Sternen

Mios Familie betreibt ein Atelier für Hochzeitskimonos. Dort lernt sie von klein auf die Bedeutung von Details, doch bald fällt auf, dass sie Farben anders wahrnimmt. Für Mio ist etwas nicht nur „rot“, sondern hat viele, nuancierte Abstufungen. Während der Vater gelassen bleibt, reagiert die Mutter ungewohnt heftig auf diese Seite ihrer Tochter. Mio fühlt sich isoliert und unverstanden, bis sie als Erwachsene in dem Laden für Farbpigmente, in dem sie arbeitet, Aoi kennenlernt. Der ist stets positiv gestimmt und das, obwohl seine Familie ein Bestattungsinstitut führt. Beide fühlen sich zueinander hingezogen, doch die Begegnung der beiden ist keinesfalls Schicksal.

„Das verborgene Leben der Farben“ ist der zweite Roman der italienischen Autorin Laura Imai Messina, die mit ihrem japanischen Mann und zwei Kindern in Tokio lebt. Zuvor erschien bereits „Die Telefonzelle am Ende der Welt“ über den Tsunami von 2011, welches ich sehr mochte. Beide Romane wurden von Judith Schwaab übersetzt. Erzählt wird die Geschichte von einem allwissenden Erzähler, der abwechselnd Mio und Aoi folgt und sie immer wieder zueinander in Beziehung bringt. Dabei springt er von der Gegenwart in die Vergangenheit und zurück, so dass sich nach und nach das große Ganze der Handlung zusammensetzt.

Eines vorweg: Wer actionreiche Romane mag, wird hier nicht fündig. „Das verborgene Leben der Farben“ ist ein sehr ruhiger Roman, in dem sich vieles in Gesprächen und Beschreibungen abspielt. Die Autorin schafft immer wieder Kontraste und das nicht nur zwischen Farben, sondern auch verschiedenen Handlungselementen, Hochzeit und Tod sind dabei die offensichtlichsten, aber auch die unterschiedliche Farbwahrnehmung von Mio und Aoi. (Dass Aoi übersetzt „blau“ bedeutet, ist sicherlich auch kein Zufall.)

Nach und nach wird offenbart, warum sich die Pfade von Mio und Aoi überhaupt gekreuzt haben und eine einfach Liebesgeschichte entwickelt sich zu einem Roman über Andersartigkeit, die Bedeutung von Familie und den Platz in der Welt, den jede*r von uns sucht. Ja, es passiert nicht viel in diesem Roman – für mich war das aber genau richtig.