Rezension

Sehr viel Lübeck, noch mehr Musik und ein wenig Zeitreise

Der Flügel der Zeit - Dieter Bührig

Der Flügel der Zeit
von Dieter Bührig

Bewertet mit 3.5 Sternen

Der Icherzähler hat ein Lübecker Altstadthaus geerbt. Es ist mit Denkmalschutz belastet, klebt am Rest der alten Stadtmauer. Ein seltsamer Konzertflügel scheint im Haus vergessen zu sein. Es erscheint der mystisch anmutende Instrumentenbauer Silbermann und erzählt dem neuen Besitzer, er nennt sich Mister Pope, was es mit dem Instrument auf sich hat. »Ich habe das Instrument so eingerichtet, dass man mittels Musik in die Zeit reisen kann, in der sie komponiert wurde. Sie reisen Jahrzehnte oder Jahrhunderte in die Vergangenheit, bis Sie selbst den Deckel schließen und unversehrt ins Heute zurückkehren.« Doch jedes Wunder hat Gefahren: »Schließt ein anderer den Deckel, bleiben Sie in der Vergangenheit gefangen – und ebenso, wenn Sie dieses Geheimnis mit anderen teilen oder versuchen jemanden ins Jetzt mitzunehmen.« Was für verlockende Möglichkeiten! Mr. Pope spielt sich mit Johann Sebastian Bachs »Capriccio über die Abreise des sehr beliebten Bruders« in das Jahr 1705, als der junge Komponist nach Lübeck wanderte, um den Kirchenmusiker Dieterich Buxtehude zu behorchen. Lübeck ist zu dieser Zeit keine friedliche Idylle. Der Nordische Krieg und der Spanische Erbfolgekrieg hat die neutrale Reichsstadt zum Zentrum fremder Spione und Hassadeure gemacht. Doch Mr. Pope findet Zugang zur bürgerlichen Gesellschaft, zu den Komponisten – und zu Buxtehudes ältester Tochter Anna.

Ein namenloser Ich-Erzähler erbt in Lübeck ein altes Haus. Darin findet er einen Konzertflügel. Der mysteriöse Silbermann erzählt ihm, dass er damit in die Vergangenheit reisen kann. Allerdings muss er einiges beachten, damit er auch wieder zurückkehren kann. Da er ein Musikliebhaber ist, begibt er sich in die Zeit von Johann Sebastian Bach, als dieser sein Capriccio für seinen Bruder schrieb und Lübeck besuchte. Dort gibt er sich als englischer Gärtner Alexander Pope aus.

Das Cover des Buches ist absolut passend und auch hervorragend gemacht,

Der Schreibstil des Autors ist sehr lyrisch und auch von der Musik sehr geprägt. Die Orte werden fantastisch vorgestellt, ebenso die Charaktere. So stört es auch nicht, dass Mr. Pope eigentlich namenlos bleibt.

Der Plot an sich ist gut durchdacht, allerdings fiel mir natürlich sofort auf, dass sich niemand wundert, dass ein Engländer scheinbar perfekt deutsch kann. Später wird auch noch ein Gedicht von Alexander Pope vorgetragen - ebenfalls auf deutsch.

Zudem fehlte mir in dem Buch die Spannung. Die Gefahr, dass Pope nicht mehr zurückreisen konnte, war sehr gering und wurde immer nur nebenbei erwähnt, wenn er sich (was sehr eingebaut wirkte) wieder mal verplapperte. 

Dafür erfährt man sehr viel über Musik, wenn man allerdings nicht wirklich ein absoluter Klassik-Fan ist, klassischer Musiker ist oder dies studiert hat, wird es teilweise schwer dem ganzen zu folgen, denn über die Musik wird fast das ganze Buch über geredet und mit vielen Ausdrücken konnte ich einfach nichts anfangen.

Das Buch wirkt aber perfekt recherchiert und man merkt in jeder einzelnen Zeile die Liebe des Autors zur klassischen Musik.

Schade also um die Umsetzung. Wenn man der Zeitreise mehr Raum gegeben hätte und die Musik nicht so in den Vordergrund wäre es wahrscheinlich ein tolles Buch geworden.

Fazit: Sehr viel Lübeck, noch mehr Musik und ein wenig Zeitreise. 3,5 von 5 Sternen