Rezension

Seicht

Drei auf Reisen - David Nicholls

Drei auf Reisen
von David Nicholls

Bewertet mit 0.5 Sternen

Im Westen nichts Neues - banaler Inhalt

Nicholls 'Zwei an einem Tag' hatte ich sowohl gelesen als auch als Film gesehen, aber das war nicht der Grund, warum ich dieses Buch erstand. Mich interessierte die Thematik Familienbeziehungen und Krisen, Auszug von Kindern und Neuanfängen. verbunden mit einer gewissen Portion Humor.

Conny (52 J.) kündigt ihrem Ehemann Doug(las) (54 J.)nach 20 Jahren Ehe an, dass sie ihn verlassen will: 'Ich habe einfach das Gefühl, dass wir als Einheit, als Mann und Frau ausgedient haben. Wir haben unser Bestes gegeben, wir können weiterziehen, unsere Arbeit ist getan (39)'. Der gemeinsame Sohn Albie steht kurz vor seinem College-Abschluss. Zu dritt wollen sie ein letztes Mal reisen, die Grand Tour, eine Bildungsreise durch Europa. Douglas vergöttert Conny und sieht die Reise als Chance, das Blatt noch einmal zu wenden: 'Ein Leben ohne sie war für mich unvorstellbar. Buchstäblich. (…) Und so beschloss ich, es auf keinen Fall so weit kommen zu lassen (44)'. Der Roman startet mit einem Anruf Albies, in dem er seinen Eltern verkündet, dass er schwul sei, um dann zwischen Gegenwart und Flashbacks zu oszillieren: Das Kennenlernen, Douglas Schwester Karen hatte die beiden auf einer Party verkuppelt, der Tod der gemeinsamen Tochter Jane kurz nach deren Geburt, Umzüge, Douglas Arbeitswut.

Als Douglas sich seinem Sohn Albie im Urlaub nähern will, misslingt sein Vorhaben. So zeigt Douglas Albie zum Beispiel das Zimmer in Paris, in dem der Sohn gezeugt wurde, das ist Albie zu viel, too much information. Die Vater-Sohn-Beziehung ist gestört, es herrscht Entfremdung, gegenseitiges Unverständnis. Auf der Reise verübt Douglas einen Fehler nach dem anderen 'Ich hatte die Menschen aus dem Blick verloren, die mir etwas bedeuteten' (378), bis der Sohn die gemeinsame Reise abbricht und sich allein auf den Weg durch Europa macht: (…) was für ein schreckliches Gefühl es ist, die Hand nach etwas auszustrecken [Albie, Conny, gemeinsames Glück} und ins Leere zu greifen, wieder und wieder (468)'. Auch Conny fliegt nach Hause. Douglas macht sich auf den Weg, Albie zu suchen. Er möchte sich bei ihm entschuldigen. Douglas Ziel, Albie nach seinen Vorstellungen formen zu wollen, führt natürlicherweise zur Rebellion in der jungen Generation und zu Enttäuschung auf beiden Seiten. Sehen und gesehen werden, leben und leben lassen.

Dieser Reiseroman ist das, was ein Reiseroman oft im 19. Jahrhundert war, eine innere Reise, die Reise zu sich selbst, und Douglas scheint durchaus der Selbstreflexion fähig.

Ich spreche sowohl fließend Französisch als auch Italienisch, aber schön wäre es für Leser gewesen, wenn Nicholls seine Kapitelüberschriften, die Zitate im Text in Fußnoten für den Leser im allgemeinen übersetzt hätte. Der Roman enthält einige grammatikalische und orthographische Fehler.

Was mir gut gefällt sind das Hardcover, das Lesefädchen, die direkte Ansprache des Lesers, die Kürze der Kapitel und die teilweise allegorischen Kapitelüberschriften sowie die eine oder andere Erkenntnis 'Ich glaube, dass unser Geschmack, unsere Instinkte und Neigungen ab einem gewissen Alter starr und hart werden wie Beton (167)' und Metaphorik 'Wir glauben, in unseren Entscheidungen frei und unabhängig zu sein, dabei haben wir kaum mehr Spielraum als eine Straßenbahn auf Schienen (292)'. Die philosophische Erkenntnis, die diesem Wortspiel zugrunde liegt, ist natürlich seit Jahrhunderten bekannt. Gelegentlich ist der Roman ein wenig humorig, wenn auch kein Brüller, bei dem man sich vor Lachen in die Ecke wirft ' Wir weckten Albie, der Aufstehen vor acht Uhr morgens für einen Verstoß gegen die Menschenrechte hielt, (...)(68). Die Sprache ist eine Mischung aus ein wenig gehobenem Stil, Standard- und Umgangssprache.

'Drei auf Reisen' ist kein hochtrabend intellektuelles Werk, der Inhalt ist ziemlich banal, 'Im Westen nichts Neues', alles schon irgendwie gehört, er- und gelebt, irgendwo gelesen, dagewesen. Es ist eine ganz nette Unterhaltung, strand-konform, auf keinen Fall ein Buch, das man ein zweites Mal lesen müsste oder das länger als nötig in Erinnerung bliebe.

Kommentare

Naibenak kommentierte am 01. Februar 2023 um 09:28

Hallo! Ich habe gerade deine Rezi gelesen und wundere mich über die Bewertung. 0,5 bedeutet nämlich so ziemlich das Schlechteste, was möglich ist. Aber deine Rezension sagt eigentlich nicht aus, dass du total gefrustet warst, finde ich. Hast du dich vertan mit der Bewertung?