Rezension

Selbstjustiz im Wien des Jahres 1920

Der dunkle Bote - Alex Beer

Der dunkle Bote
von Alex Beer

Bewertet mit 5 Sternen

Wien im Spätherbst 1920. Eine Männerleiche wird brutal ermordet aufgefunden, ihm fehlt seine Zunge, später wird ein kryptischer Bekennerbrief an eine Tageszeitung geschickt. Und es bleibt nicht der einzige Mord. August Emmerich und sein Assistent Ferdinand Winter werden mit den Ermittlungen zu diesen Fällen beauftragt, nachdem sie im vorangegangenen Roman bewiesen haben, dass mit der "Krüppelbrigade" zu rechnen ist. Doch wo sollen sie ansetzen, wo doch auf den ersten Blick nichts die Toten verbindet? Zwar haben diese in der Vergangenheit Dreck am Stecken angehäuft, doch eine heiße Spur ergibt sich daraus nicht. Eine umtriebige Reporterin und Frauenaktivistin gerät kurzzeitig unter Verdacht, als sich herausstellt, dass die Taten in Verbindungen mit Untaten, die an Frauen begangen worden sind, gesetzlich aber nie geahndet worden sind. Offensichtlich ist also Selbstjustiz im Spiel.

Gleichzeitig führt Emmerich einen Kampf auf Leben und Tod mit Xaver Koch, dem Mann, der ihm im zweiten Roman die Geliebte und deren Kinder, für die Emmerich ein Vater war, durch sein überraschendes Auftauchen aus den Kriegswirren genommen hat. Dieser führt nicht nur gegen Emmerich Böses im Schilde, sondern verfolgt auch einen üblen kriminellen Plan, um im durch die Nachkriegswirren geprägten Wien zu Einfluss zu gelangen. Am Ende verbinden sich die beiden Handlungsstränge.

Wie schon in den beiden Vorgängerromanen "Der zweite Reiter" und "Die rote Frau" überzeugt die Autorin Alex Beer durch eine gelungene Mischung aus Spannung und historischen Fakten, die den Hintergrund für den Roman abliefern. Wien ist weder schwarz noch weiß, die Grautöne überwiegen. Die Guten sind nicht immer nur gut, manche Böse sind hingegen auf den zweiten Blick gar nicht so schlimm, letztendlich muss jeder sehen, wie er angesichts der Notlage nach dem Krieg klar kommt. Die Auseinandersetzungen zwischen den Christsozialen (die eher protofaschistisch waren) und den Austromarxisten und der latente, nach dem Krieg erstarkte Antisemitismus kommen im Roman nicht zu kurz und sind mehr als nur historische Staffage.