Rezension

Selten so verwirrt zurückgeblieben...

Ich bin Tess (Buchvorlage zur Netflix-Serie Kiss Me First) - Lottie Moggach

Ich bin Tess (Buchvorlage zur Netflix-Serie Kiss Me First)
von Lottie Moggach

Meine Meinung

Ich bin Tess ist ein Buch, bei dem ich einfach unsicher bin, was ich davon halten soll. Es ist ein Buch, das mich etwas ratlos zurück lässt und ich kann euch nicht mal wirklich sagen, warum.
Diese Grundidee, dass Menschen durch das Internet weiterleben, finde ich persönlich faszinierend und beängstigend zugleich. Dadurch, dass Lottie Moggach dies in ihrem Buch als geradezu einfach und sehr leicht darstellt, finde ich den Gedanken noch etwas beklemmender als eh schon. In was für einer Welt leben wir denn heute, in der man tatsächlich eigentlich tot und verschwunden sein kann, im Internet jedoch weiter lebt?

Tess ist ein sehr realistischer Charakter, sie hat sehr viele Ecken und Kanten und ich gehe nicht mit jeder ihrer Handlungen konform, manchmal kam auch Unverständnis auf, und dennoch kommt man ihr sehr nahe. Sie zu erleben ist einfach ziemlich intensiv dargestellt, weil man sie eben durch Leilas Fragen auf eine andere Weise kennen lernt.
Leila... sie ist ein Charakter, den ich nicht immer ganz verstehen kann, sie ist einer der seltsamsten Charaktere, denen ich bisher begegnet bin: naiv, pragmatisch, nicht unbedingt gefühlsbetont oder empathisch. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass ihre Fähigkeit zu Empfinden praktisch gar nicht vorhanden ist. Auch das Problem Tess geht sie sehr pragmatisch an. Durch sie als recht emotionslosen Charakter in Hinblick auf Tess lernt man diese eben auf eine sehr rationale Art und Weise kennen. Im Ernst: Leila analysiert Tess ohne dabei zu werten, wenn man von einer Sache absieht... Doch dann ist da auch noch die philosophische Seite: Leila ist viel in Foren unterwegs und hat ziemlich tiefgründiges philosophisches Wissen, das sie auch gezielt in Diskussionen einbringen kann. Es ist dieser Gegensatz aus philosophisch tiefgründig und fehlender Empathie, der mich bei ihr einfach verwirrt.

Der Stil ist Leila angepasst und betont ihren Charakter noch einmal, denn er ist schlicht, ich fand ihn stellenweise fast schon karg. Das Hauptaugenmerk liegt für mich hier auf der sachlichen Analyse Tess', so wie es für Leila sich eben auch darstellt. Bei ihr konzentriert sich alles auf Tess, warum dann nicht auch beim Stil?

Wenn man darüber nachdenkt, ist das schon nicht leicht, dieser Gedanke, wie man Internet nutzen kann. Da überdenkt man sein Verhalten doch noch ein bisschen (und ich hatte tatsächlich ein bisschen ein schlechtes Gewissen, wenn ich so über mein Online-Verhalten nachdenke).

Übrigens finde ich den deutschen Titel deutlich schöner als den des Originals. Griffiger, stimmiger und passt einfach perfekt zum Buch. Für mich die optimale Titelwahl!

Fazit

Ich bin Tess ist ein Buch, das mich hauptsächlich durch diesen Grundgedanken überzeugt hat. Leila als Protagonistin hat mich manchmal wirklich verwirrt, denn da ich ein gefühlsduseliger Mensch bin, konnte ich mich - welch Ironie - nicht immer in ihrer Verhalten einfühlen und eindenken. Dennoch ein faszinierendes Buch.