Rezension

Sensibles Grau

Wer wird denn da gleich schwarzsehen -

Wer wird denn da gleich schwarzsehen
von Marius Jung

Bewertet mit 4 Sternen

Das Cover ist frech und witzig, kontrastreiche Farben, passenderweise schwarz und weiß, ein wenig gelb, grau und beige. Ein Mann, der gleichwohl nachdenklich wie verschmitzt in eine imaginäre Ecke schaut, lässig die Hände in den Taschen. Es sieht nicht nach tierischem Ernst aus.

Man bekommt Lust, mit ihm zu diskutieren... ;-)

Ich war sehr angenehm überrascht von diesem Buch..

Ich hatte mir - ohne mir dessen selbst so recht bewusst zu sein - eher eine etwas klamaukige, satirische Herangehensweise an das Thema vorgestellt.

Statt dessen kommt Marius Jung mit viel Sachlichkeit, einer guten Gliederung, vielen Fragestellungen und vor allem zahlreichen Beispielen, die das Ganze sehr anschaulich und lebendig machen.

Besonders gelungen finde ich, wie er - unaufdringlich, aber mit einer nicht allzu distanzierten Ironie - Anschauungsmaterial aus einem eigenen Leben einfließen lässt.

Es wird in keiner Weise langweilig oder oberflächlich, wie Marius Jung mit dem Thema Rassismus umgeht. Er spricht viel über sich selbst, seine persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse, aber auch Fehler, die er selbst diesbezüglich gemacht hat.

Die Gliederung des Buches ist gut und beleuchtet das Thema immer wieder unter anderen Aspekten.

Ich gestehe, ich musste mir auch selbst ab und zu an die eigene Nase greifen. Wieviel man doch mit Gedankenlosigkeit verletzen kann...

Die S. 151, die in gewisser Weise das Thema "übertreiben oder nicht" zusammen fasst, hat mir sehr gut gefallen. Ebenso der Gang durch das "House of Gender".

Eigentlich hatte ich gehofft, in diesem Buch Antworten zu finden auf Fragen, die ich mir im Zusammenhang mit der rassistischen Thematik immer wieder stelle, auch daruf, wie ich mich denn nun wirklich „korrekt“ verhalte oder ausdrücke. Solche pauschalen Antworten gibt es nicht, aber viele Anregungen, Denkanstöße, und die Grundaussagen, dass sich das alles entwickelt und verändert und dass das eben ein Prozess ist, der nicht von heute auf morgen geht. Und dass es letztlich mehr auf die Gesinnnung und Denkweise des Einzelnen ankommt als auf eine Ausdrucksweise, an der sich wirklich NIEMAND mehr stört.

Das letzte Stück des Buches bringt noch einmal viele konkrete Beispiele über „so ja, so nicht“ oder „früher okay, heute anstössig“ und auch darüber, wie manche Umbenennungen konkret umgesetzt wurden.

Besonders hilfreich fand ich die allerletzten Kapitel „Was tun? Und was nicht?“ und „Was ich mir für meine Tochter wünsche“.

Insgesamt hat mir das Buch nicht wie erhofft, einen klaren Leitfaden über „korrrektes nicht-rassistisches Verhalten und Sprechen“ geliefert, aber viele Informationen, Möglichkeiten und Denkanstöße. Und ein – weiteres – Stück Sensibilisierung.

Insofern meine Leseempfehlung für alle, die sich einfach ein Stück mit dem Thema beschäftigen möchten, ohne einen „Fahrplan“ zu erwarten.