Rezension

Situationskomik, Galgenhumor und Nachdenkliches

Mein Vater ist Putzfrau - Saphia Azzeddine

Mein Vater ist Putzfrau
von Saphia Azzeddine

Bewertet mit 5 Sternen

In „Mein Vater ist Putzfrau“ von Saphia Azzeddine geht es um Paul, genannt Polo, der laut eigener Aussage ziemlich klein, hässlich, weiß und arm ist. In der Schule sind alle cooler als er und wenn schon nicht reich, dann wenigstens arabisch, jüdisch oder schwarz. In seiner Freizeit hilft er seinem Vater beim putzen, doch er kümmert sich in einer Bibliothek nicht nur um den Staub auf den Büchern, sondern hat auch begonnen sie zu lesen und sich zu bilden.

„Zwischen den Taschenbüchern und den gebundenen Büchern, den bebilderten und den schlichten Buchdeckeln gab es Milliarden von Wörtern. Manche davon waren längst gescheitert, andere hatten viele erschüttert. Ich hatte Lust, sie auszuprobieren. Diese ganzen Bücher, wie sie da eines neben dem anderen militärisch, senkrecht und gerade aufgereiht standen, starrten mich an und forderten mich jedes Mal heraus, wenn ich an ihren vorüberging.“ (S. 8)

Als Leser begleitet man den pubertierenden Ich-Erzähler Polo ab seiner 8. Schulklasse und wird Zeuge seiner Gedankenwelt, die von finsterstem Sarkasmus, tiefster Verachtung seiner Familie und seiner Umwelt gegenüber, Neid, bitteren Sehnsüchten, zerbrechlicher Liebe, von den Zweifeln und der Unsicherheit eines Heranwachsenden und der Auseinandersetzung mit politischen und gesellschaftlichen Themen geprägt ist.

„Wäre Tamimount ein Land, wäre sie die USA: Sie verteidigt sich immer, nachdem sie dich als Erstes angegriffen hat, vorbeugend verpasst sie dir eine Kopfnuss und glättet sich anschließend seelenruhig den Pony, der eine Narbe auf der Stirn verdeckt, weil ihr Vater sie verdrischt. Auch vorbeugend.“ (S. 41)

Nachdem ich zu lesen begonnen hatte, mochte ich nicht mehr aufhören. Es war interessant Polos Entwicklung anhand seiner Denkweise und Gefühlswelt zu folgen, die eine bunte Mischung aus tatsächlichem Erleben und Phantasie ist. Die Sprache ist bildhaft und eindringlich, rutscht aber auch schon mal in derbe und derbere Ausdrucksweisen ab, was den Charakter allerdings authentisch wirken lässt.

„-Was heißt enden wie du, Papa? -Das heißt öfter den Boden als den Himmel im Blick zu haben, was dich nicht daran hindert, trotzdem in die Scheiße zu treten…
Insgeheim musste ich ihm beipflichten. Mein Vater ist intelligent. Nur dass die Wörter in dem Schlamassel zu nichts taugen. Der Boden, der Himmel und die Scheiße, das fügte sich hier perfekt zusammen.“ (S. 66)

„Mein Vater ist Putzfrau“ ist eine liebevolle Vater-Sohn-Geschichte voller Situationskomik und Galgenhumor, die viel Stoff zum Nachdenken, schmunzeln und mitfühlen zu bieten hat. Ein Buch, das ich sehr gerne gelesen habe und deshalb wärmstens empfehlen kann.