Rezension

Slowenisches Leben in Podgorje

Hundert Jahre Blindheit -

Hundert Jahre Blindheit
von Roman Rozina

Bewertet mit 3 Sternen

Besonders das stilistisch Schwache dieses Romans hat mir die Lektüre schwer gemacht.

 „Slowenien ist in kleines Land, erläuterte Matis, es kommt nicht allzu oft vor, dass er auf seinen Reisen der slowenischen Sprache begegnet.“ Man könnte diese Aussage als Motto nehmen, wenn man eine Rezension über dieses Buch, „Hundert Jahre Blindheit“ zu schreiben hat.
Slowenien ist ein kleines Land, es werden nicht allzu viele Romane aus dieser Sprache in die unsere übersetzt, und so ist allein schon dessen Existenz eine Art Wundertüte für uns. Wir schauen hinein …und finden in dem Roman mehr eine Sage vor als eine pure Familiengeschichte.
Der Stil, der die Zeiten nicht (ein)hält, die Figuren, die nicht richtig lebendig werden, die vielen belehrenden Dialoge, die vielen Protagonisten, das alles klingt in meinen Ohren nach einer Legende. Wir sollen belehrt werden. Geschliffene Formulierungen darf man nicht erwarten, die Erzählstimme ist schlicht und wirkt unbeholfen. 

Im Großen und Ganzen geht es um 100 Jahre slowenische Geschichte, die sich von 1900 bis 2000 spannt und von dem blindgeborenen Matis ausgehend erzählt wird. Die armseligen Verhältnisse der Bergbauabeiter sind Thema, das Verhältnis von Sozialismus und Kapitalismus, von Unterdrückung, Repression und Aufbegehren, vom Lauf der Geschichte, schließlich auch vom Fortschritt, alle diese Themen bringt der Autor unter. Diese Themen sind zwar per se spannend, aber leider werden sie hauptsächlich durch lange belehrende und langweilige Dialog an den Leser gebracht und zwar so hölzern, dass man weiß, die Menschen sprechen und diskutieren nicht untereinander, sondern diese Dialoge sind einzig und allein Belehrungsmaterial für die Leserschaft. Dies verstimmt (mich) und nimmt nicht für den Roman ein. Es wird geredet und geredet und geredet.
Natürlich erwärmt man sich ab und zu auch für einige der Figuren, so ist Sofia, zum Beispiel eine sich für die Familie aufopfernde Frau, die man lieb gewinnt und natürlich ist man auch von den mannigfaltigen Schicksalsschlägen, die die Familie Knapp trifft, berührt, aber der Roman hat doch eher informierende, als aufwühlende Elemente. Der erzählende blinde Matis ist kein Erzähler, der sich Innerlichkeiten widmet.
Trotz politischem Beiwerk, ist der Roman für meinen Geschmack nicht einmal politisch genug, weil er kaum Bezug auf die jeweiligen Herrschaftsverhältnisse nimmt, sondern gerade da im Allgemeinen bleibt und in weiten Teilen Manifestcharakter hat. Wenn ich das will, lese ich gleich das Kommunistische Manifest.

Fazit: Der Roman, ein Stück slowenische Geschichte transportierend mit Schwerpunkt Bergbau /Glashütte, behäbig informierend, sprachlich hölzern, konnte mich nicht in seinen Bann ziehen. Ein Personenregister wäre dringend erforderlich gewesen! Leider Fehlanzeige. Eigentlich enttäuschend.

Kategorie: Historischer Roman
Verlag: Klett Cotta, 2023