Rezension

So viel besser als Band 1!

Die Polidoris und der Fluch aus dem Eismeer (Bd. 2) -

Die Polidoris und der Fluch aus dem Eismeer (Bd. 2)
von Anja Fislage

Bewertet mit 5 Sternen

Die Polidoris stechen in See! Während Petronella und Pellegrino mit den Großeltern auf der Polidoria in Richtung Eismeer segeln, versucht die große Schwester Roberta daheim alles, um das Polidorium, das offiziell unter der Aufsicht des plötzlich aufgetauchten Onkels Udolpho steht, vor dem Untergang zu bewahren. Beide Gruppen stoßen auf große Probleme, alte Widersacher und neue Freunde. Wird es ihnen gemeinsam gelingen, Dr. Oscar zu retten und den Unheil stiftenden Walfänger Hodder Morkel ein für alle Mal in den Finsternistümpel im Garten zu verbannen?

Nachdem mich Band 1 mit seinen gelegentlichen Längen nicht so recht in seinen Bann ziehen konnte, bin ich an diesen Teil mit etwas Skepsis herangetreten. Völlig zu Unrecht, wie sich schnell herausstellte! „Der Fluch aus dem Eismeer“ steckt voller Spannung, einem rasanten Erzähltempo, stets neuen Wendungen, bekannten und neuen Figuren, die jede für sich ein Unikat ist, und einfach wunderbar abgestimmten und angefertigten Illustrationen. Doch eins nach dem anderen:

Was mir im ersten Teil an Tempo gefehlt hat, gab es hier dafür im Doppelpack. Die Polidoris geraten an zwei Schauplätzen von einem Abenteuer ins nächste, sind dabei jedoch stets miteinander verbunden und arbeiten von zwei Seiten aus im Grunde am gleichen Plan. Die Aufteilung der Geschichte auf zwei Erzählstränge sorgte für mehrere spannende Cliffhanger und konnte mich so zu Weiterlesen animieren. Der sehr flüssige Schreibstil tat sein Übriges, sodass ich problemlos 100 Seiten am Stück lesen konnte und wollte.

Die Figuren, besonders Roberta und Petronella, wirken reifer, erfahrener und selbstbewusster als noch im ersten Band. Sie stehen für sich ein und übernehmen beide auf ihre Weise Verantwortung für die und in der Familie. Die Figurenentwicklung ist hier am deutlichsten zu erkennen. Pellegrino bleibt leider weiterhin eine zu oberflächliche und blasse Figur. Vieles von dem, was ihn betrifft, erfahren wir Leser*innen erst retrospektiv durch seine eigenen Erzählungen, was ich als sehr schade empfand. Er ist introvertiert, ja, aber dennoch ein wichtiger Bestandteil dieser Geschichte und der Familie Polidori, mit all seinen Spleens und Eigenschaften. Apropos Spleen: Die weiterhin unsympathischste Figur dieser Geschichte ist und bleibt Oma Gloria Polidori! Sie ist egozentrisch, stur, übergriffig, voreilig, vorlaut, besserwisserisch, eine schreckliche Geheimniskrämerin und denkt selten über die Konsequenzen ihres Handelns nach. Ich werde einfach nicht warm mit ihr, aber darauf ist die Figur auch nicht angelegt, denke ich. Immerhin kann sich Großvater Pernell dieses Mal in ein besseres Licht rücken und lässt sich nicht immer von seiner Frau bevormunden (auch, wenn sie ihn weiterhin sehr rüde bei seiner falschen Wortwahl korrigiert).

Verena Wugeditsch hat auch in diesem Band hervorragende Arbeit bei der Bebilderung der Geschichte geleistet. Es gelingt ihr durchweg, die Atmosphäre punktgenau in ein Bild zu bannen und die Stimmungen der Figuren einzufangen und abzubilden. Der Schwarz-Weiß-Stil passt hier genau zum eher düsteren Grundton der Erzählung. Ich habe mehrfach innegehalten, um mir die Illustrationen genauer anzusehen und auf mich wirken zu lassen.

Der zweite Teil ist für mich absolut gelungen und in sich stimmig und rund. Auch, wenn er natürlich neue Fragen aufwirft, aber ein bisschen was muss ja für den Finalband noch übrig bleiben. Ich bin sehr froh, dass ich der Geschichte noch eine Chance gegeben habe. Es hat sich gelohnt!