Rezension

So viele Fragen - so wenig Seiten

Never a Hero -

Never a Hero
von Vanessa Len

Achtung – Spoilergefahr. Es handelt sich um den 2. Band einer Buchreihe 
 

Inhalt:

Nachdem Joan die Zeitlinie geändert, und damit den Mord an ihrer Familie verhindert hatte, schien ihre Welt für eine Weile in Ordnung. Sicherlich, es gab immer noch ein paar Schwierigkeiten innerhalb der Familie, auch hatten sich Kleinigkeiten verändert. Das Holland House war beispielsweise kein prachtvolles Gebäude, kein Touristenmagnet mehr, sondern lediglich eine Ruine. Auch gab es diesen Lehrer, der in der anderen Zeitlinie noch lebte und der nun bereits verstorben war. Aber dafür war der Monsterjäger, der zahlreiche Monster, ohne mit der Wimper zu zucken, getötet hatte, nun ein ganz normaler Junge mit einer Leidenschaft fürs Fußballspiel. Einer, der nun Joans Schule besuchte.

Joan wusste, dass sie sich in der neuen Zeitlinie von Nick würde fernhalten müssen. Auch hallten Aarons Worte, der ihr einst gesagt hatte, dass auch sie sich nie mehr wiedertreffen dürften, wenn sie das Massaker von einst rückgängig machen wollten, in ihr nach. All die wohlfeilen Vorsätze wollte Joan wirklich beherzigen. Und während sie Aaron auch wirklich nicht mehr gesehen hatte, schien Nick sie magisch anzuziehen. Immer wieder kreuzte der damalige Held, der Monsterjäger, ihren Weg. Wenn sich Joan und Nick trafen, dann freute sich Joan, dass Nick nun so glücklich war.

Und eines Tages in der Bäckerei, in der Joan und ihre beste Freundin Margie arbeiteten, passierte dann das, was Joans Leben in ein neues Desaster stürzen sollte. Ein Mann, gekleidet wie von einem Foto aus den 1920ern, erschien in der Tür. Hinter ihm lag eine Leiche. Die von Margie, die eigentlich nur mal kurz vor die Tür gehen wollte, um Nick, der als Kunde aufgetaucht war, und Joan ein wenig exklusive Zeit zu gönnen.

Das war der Moment, als Joan wusste, dass Nick und sie würden gemeinsam fliehen müssen. Denn dieser Fremde war ein Monster, ein Zeitreisender. Einer, der Nick und sie ohne mit der Wimper zu zucken, töten würde. Und Nick war nun auch noch ein ganz gewöhnlicher Mensch. Einer, der sich mit verlorenen Erinnerungen nicht zur Wehr würde setzen können, wenn ihm mit einer flüchtigen Berührung von einer Sekunde auf die andere alle verbleibende Lebenszeit entzogen werden würde.

 

Meinung:

Mit der Veränderung der Zeitlinie hatte Joan gehofft, eine grundlegende Veränderung in ihrem Leben herbeizuführen. Sie erinnerte sich an die Worte von Aaron, der in der damaligen Zeitlinie zwar einerseits ihr Gegner war, der sich aber dann doch gegen seine Familie und auf Joans Seite gestellt und zu dem Joan schon bald ein sehr großes Vertrauen aufgebaut hatte. Sie erinnerte sich an seine Warnung, wie sie in dieser neuen Zeitlinie vorgehen müsse. Dass sie zwei Menschen auf jeden Fall meiden müsste.

Das waren sowohl Aaron selbst, dessen Familie sie einst gejagt hatte, und dann eben auch Nick: den skrupellosen Killer.

Joan muss in diesem zweiten Teil einige Lektionen lernen. Zum einen, dass man sich an Regeln halten sollte, zum anderen aber auch, dass all unsere Handlungen und Entscheidungen mehr oder weniger in Verbindung zueinanderstehen, sich die Zukunft daher nicht so einfach verändern lässt.

Zugegeben, Nick macht es einem in „Never a Hero“ nicht leicht, ihn nicht zu mögen. Nicht nur, dass er immer wieder Joans Nähe sucht, auch ist er ein durch und durch liebenswerter Geselle. Er verhält sich unaufgeregt und geht mit einer Ruhe an Konflikte heran, auf die jeder Mentaltrainer wohl neidisch wäre.

Allerdings ist Skepsis angebracht: Nick stellt zwar Fragen, doch nimmt er alle Antworten, die Joan ihm gibt, mit einer Gelassenheit entgegen, die einfach nicht zu passen scheint. Er wundert sich scheinbar kaum darüber, dass es Leute gibt, die Monster genannt werden. Die Zeitreise, auf die Joan und er sich gezwungener Maßen begeben müssen, wirft weitere Fragen auf, doch auch hier findet sich Nick sehr schnell mit der Situation ab.

Nick ist nicht nur die Ruhe in Person, er tut alles, um Joan und die Menschen, die ihr am Herzen liegen, zu schützen. Er akzeptiert, wenn sie ihm die Wahrheit nur in Bruchstücken präsentiert, obwohl die Welt doch so inkongruent daherkommt.

Joan hingegen macht sich in diesem zweiten Band allerhand Vorwürfe. Allerdings schaffen sie es nicht, daraus Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen. Sie nimmt Nick mit an Orte, an denen es vor Monstern nur so wimmelt. Obwohl sie weiß, wie leicht es wäre, Nick mit nur einer kleinen Berührung zu töten. Kurz darauf ergeht sie sich in Vorwürfen und einem schlechten Gewissen, ihre Taten betreffend.

Es gibt im Buch stellen, da erschien Joan fast schon hilflos, verloren in ihren Gedanken, Ängsten und Selbstzweifeln. Doch dann setzt die Handlung wieder ein.

Bildhaft, spannend, rasant und kantig, mit wenigen Reflexionsoasen, beschreibt Vanessa Len in der Fortsetzung von „Only a Monster“ wieder die Welt, in der die „Monster“ sich herumtreiben.

Joan trifft auf alte Bekannte wie Jamie und Tom. Sie begegnet aber auch Menschen, die ihr einst böses wollten. In der „neuen“ Zeitlinie haben einige von ihnen andere Lebenswege eingeschlagen.

In „Never a Hero“ erfährt man mehr über die anderen Monsterfamilien und ihre Fähigkeiten einerseits, andererseits erhält auch Joans Charakter weiter Tiefe.

Und dann gibt es hier natürlich auch noch Aaron, auf den Joan ungewollt trifft und an den sie sich natürlich auch erinnert. So sehr Joan ihn auch meiden möchte, das Schicksal hat natürlich etwas anderes vorhergesehen. Als Leserin habe ich einerseits gehofft, dass beide ihre einstige Beziehung wieder aufleben lassen können. Andererseits war die Gefahr, die damit einhergehen könnte, stets präsent.

Das Buch bringt stets neue kreative Ideen und Fragen hervor: Was hat es mit den Löchern in der Zeit zu tun, von denen sich plötzlich eines auftut und in dessen Nähe die Charaktere Übelkeit überkommt? Und was ist eigentlich mit dem Monsterhof, der im ersten Band erwähnt wurde, und doch irgendwie fast noch ein wenig zu blass blieb? Gab es da nicht auch diesen Leibwächter des Königs, der so voller Gefahren steckte? Und was hat es jetzt mit der Fähigkeit von Joan auf sich? Sowohl Joan, als auch Nick stecken dauerhaft in größten Gefahren. Werden sie gegen die vielen Gegner bestehen können?

 

Fazit:

„Never a Hero“ von Vanessa Len illustriert erneut auf eindrucksvolle Weise, wie sich einzelne Entscheidungen und Handlungen auf ein ganzes System auswirken, beziehungsweise maßgebliche Auswirkungen auf das ganze Leben von Menschen haben können. Ihre Protagonisten treffen Entscheidungen und werden sodann mit den (bisweilen schockierenden) Auswirkungen in der Zukunft konfrontiert.

Ihre Figuren sind Menschen mit den uns allen bekannten emotionalen und rationalen Widersprüchen. Vanessa Len versteht es meisterhaft, diese in Handlungen zu kleiden und ihren Helden so Leben einzuhauchen.

Was ist der Ursprung der Dinge? Was ist Gut und Böse? Die Dinge sind in „Never a Hero“ nicht einfach so binär wie in einer Superheldenwelt.

Alles in allem kann ich „Never a Hero“ vollumfänglich weiterempfehlen. Mit dem Ende wird die Wartezeit bis zur Fortsetzung aber zur Qual. Darüber kann dieses geniale Buch nicht hinwegtäuschen.