Rezension

So weit darf es nie kommen

Never - Die letzte Entscheidung -

Never - Die letzte Entscheidung
von Ken Follett

Bewertet mit 5 Sternen

Der internationale Bestsellerautor Ken Follett ist mir vor allem durch seine monumentalen historischen Romane bekannt. „Die Säulen der Erde „ hat mich vor Jahren schwer beeindruckt.

„Never- Die letzte Entscheidung“ , sein neuestes Werk fällt in ein anderes Genre. Es ist ein Politthriller, der aber ohne Action à la James Bond daherkommt. Seine Helden sind „normale“ Menschen, die allerdings Schlüsselpositionen innehaben. Der Roman ist auch eine Dystopie, die in nicht allzu ferner Zukunft spielen könnte und die Schritt für Schritt beschreibt, wie unsere Welt sehenden Auges in den Abgrund rutscht. Das geht einem angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage mit einem Krieg in der Ukraine und chinesischen Drohgebärden in Taiwan besonders nahe, weil der Ausgangskonflikt im Roman auch zunächst regional und beherrschbar erscheint. Diese Realitätsnähe die man beim Lesen empfindet, ist vielleicht nicht für Jeden aushaltbar. 

Das Buch führt uns zu einer Terroristenhochburg in den Tschad, spielt dann hauptsächlich in den USA und in China. Es ist dieses Auge um Auge, Aktion und Reaktion, dass eine fatale Kettenreaktion in Gang setzt. Da wird im Tschad ein Amerikaner aus dem Hinterhalt erschossen. Was ist eine angemessene Reaktion auf diese Agression? Ist die Reaktion eines totalitären Machthabers vorherzusehen? Kann man Besonnenheit von Diktatoren erwarten, die die Chance sehen dem Nachbarland eins auszuwischen? Führen Militärbündnisse nicht nur zu mehr Schutz, sondern auch zu schnellerer Eskalation? 

Auch die Berater der Machthaber, ganz gleich welchen Landes versuchen immer auch Einfluss zu nehmen, und je nachdem, ob sich die Falken oder die Tauben durchsetzen, wird der Präsident eines Landes seine folgenreiche Entscheidung treffen. 

Ken Follett baut seine Geschichte ganz langsam auf, Kritiker werden sagen zu langsam, aber mir gefiel seine Ausführlichkeit. Auch die Charaktere werden sehr genau und authentisch gezeichnet. Der Autor erzählt z.b auch viel über das Privatleben seiner Protagonisten. 

So hat in den USA eine Frau das Präsidentenamt inne. Pauline Green gilt als gemäßigt und lebt mit Mann und Teenie-Tochter im Weißen Haus. Von Tochter Pippa‘s Schulproblemen erfährt der Leser ebenso, wie von der Ehekrise mit Ehemann Gerry. Außerdem sitzt der Präsidentin vor den nächsten Wahlen ein Trump ähnlicher Konkurrent im Nacken, der genau wie sein reales Vorbild populistische Hetze in der Öffentlichkeit betreibt.

Der Regierungsbeamte  Chang Kai versucht in China die Hardliner der sogenannten alten Garde in Zaum zu halten. Auch er befürchtet einen nuklearen Konflikt zwischen China und den USA.

Sehr sympathisch waren mir auch CIA Agentin Tamara, die sich bei ihrem Auslandsaufenthalt in Afrika in ihren französischen Kollegen verliebt und der libanesisch-amerikanische Undercover Agent Abdul , der sein Leben riskiert, um den meist gesuchten islamistischen Terroristenführer aufzuspüren. Man leidet mit der jungen Witwe Kiah mit, die am fast ausgetrockneten Tschadsee keine Zukunft für sich und ihr Kind mehr sieht und sich in die Hände von Schleusern begibt.

 Trotz seiner 876 Seiten  hat mich Ken Follett‘s Roman von Anfang an gepackt und nicht mehr losgelassen. Mich haben Länge und Ausführlichkeit gar nicht gestört. Ich finde die Seitenzahl hat dem Roman sogar gutgetan, denn die Geschichte konnte sich  besser entwickeln, als es ein weniger Seiten starkes Buch hätte schaffen können.

Es war ein sehr eindringliches und erschreckendes Buch, eine Art Weckruf an die Menschheit, dass wir uns mit unseren hochgerüsteten Ländern sehr sehr nah am Abgrund bewegen.

Sehr empfehlenswert!