Rezension

Sozialkritisch, spannend, manchmal zu melodramatisch

Oliver Twist - Charles Dickens

Oliver Twist
von Charles Dickens

Bewertet mit 4.5 Sternen

Mir hat dieser Klassiker aus dem 19. Jahrhundert sehr gut gefallen: frisch, leicht zu lesen, manchmal bissig und sarkastisch, auch wenn er hin und wieder etwas zu melodramatisch wirkte und mit etwas zu vielen Zufällen gespickt war. Aber – so steht es im Nachwort, es war einer der ersten Romane, die Dickens geschrieben hat und es war einer, der in Fortsetzungen in einer Zeitschrift erschien. Das mag einiges Uneinheitliche erklären.

Dickens, der schon zu Lebzeiten Erfolg mit der Schriftstellerei hatte, wusste, wovon er schrieb. Er selbst hatte als Zwölfjähriger in einer Schuhcremefabrik arbeiten müssen, weil sein Vater im Schuldgefängnis saß. Es waren schlimme Zeiten mit krassen Gegensätzen zwischen Arm und Reich und unsozialen, ungerechten Zuständen. Wie immer waren und sind es die Kinder, die es besonders hart trifft, in diesem Roman Waisenkinder, die in die Hände von ausbeuterischen Menschen oder gar Kriminellen gefallen sind.

Es ist die Geschichte des Waisenjungen Oliver Twist, der eine armselige Kindheit in einem Arbeitshaus ertragen muss, nach London flieht und – naiv wie er ist – 'vom Regen in die Traufe kommt'. Er soll zum Taschendieb und Helfer von Einbrechern gemacht werden. Es gibt so manche geheimnisvollen Andeutungen und Enthüllungen zu Olivers Herkunft, überraschende Wendungen und dramatische Geschehnisse.

Bei allem kommt dennoch der Humor nicht zu kurz, wenn Dickens skurrile Typen schildert und die Gesellschaft ziemlich bissig aufs Korn nimmt, manchmal ironisch und sarkastisch.

Zu erwähnen sind noch die einerseits gelobte, andererseits ein wenig umstrittene Übersetzung von Gustav Meyrink (Autor des 'Golem'), der das Englisch des Juden Fagin als Jiddisch wiedergibt und die ursprünglicehn Original-Illustrationen (Ausgabe dtv Verlag) von Cruikshank, einem Zeitgenossen Dickens. Im Anhang dieser Ausgabe gibt es Erläuterungen zum Roman und eine Zeittafel zu Dickens Leben.

Alles in allem: ein lesenswerter Klassiker mit beißendem Humor und teilweise noch aktueller Gesellschaftskritik