Rezension

…spannend, heiter, kurzweilig – Agatha Christie at her best!

Etwas ist faul -

Etwas ist faul
von Agatha Christie

Ich saß in meinem Sessel und schwitzte vor mich hin: Draußen brannte die Sonne vom Himmel, die sich nur dann und wann eine Pause gönnte, wenn Regenschauer sie verdunkelten. Doch dies brachte keine Erleichterung. Vielmehr sorgte die Kombination beider Wetterphänomene dafür, dass sich die tropische Flora und Fauna bei uns sehr, sehr wohl fühlen würde. Ich saß in meinem Sessel und schwitzte vor mich hin: In meinen Händen hielt ich das Rezensionsexemplar mit Erzählungen eines russischen Dichters. Ich ertappte mich dabei, wie ich schon seit geraumer Zeit auf die immer gleiche Stelle im Buch starrte ohne Ahnung, was ich da gerade gelesen hatte. Ich bemitleidete mich voller Inbrunst selbst! Dann traf ich genau die richtige Entscheidung: Unter diesen Bedingungen brauchte es eine leichte unterhaltsame Lektüre…!

Unter dem Original-Titel The Listerdale Mystery erschien in Großbritannien im Jahr 1934 diese Anthologie mit 12 Kurzgeschichten, von denen einige auch über die Grenzen Englands hinaus sehr populär wurden. Besonders zwei Geschichten tauch(t)en gerne auch in anderen Zusammenstellungen auf.

In „Der Traum vom Glück“, die gerne in Sammlungen mit Weihnachtsgeschichten erscheint, schlägt ein junger, naiver Mann über die Stränge, ganz entgegen der Haltung seiner korrekten Verlobten, gönnt sich heimlich von einem Lotto-Gewinn einen Sportwagen. Schon bei seiner ersten Spritztour wird er plötzlich in eine aufregende Verwicklung mit einer unbekannten Schönen verstrickt, wie er sie sonst nur aus seinen geliebten Groschenromanen kennt. Bei „Haus Nachtigall“ (in anderen Übersetzungen auch „Villa Nachtigall“) heiratet eine junge Frau überstürzt einen ihr beinah Fremden und zieht mit ihm in ein abgelegenes Cottage. Merkwürdige Ereignisse und das widersprüchliche Verhalten ihres Gatten veranlassen sie, näheres über ihn und seine Vergangenheit in Erfahrung zu bringen.

Doch auch die anderen Geschichten sind äußerst unterhaltsam, spiegeln den damaligen Zeitgeist mit seinen gesellschaftlichen Unterschieden und den geläufigen Klischees bzw. Vorurteilen wieder. Wobei ich nach wie vor der Meinung bin, dass Agatha Christie dieses Stilmittel sehr bewusst einsetzte, um den vorherrschenden Standesdünkel zu karikieren. Ihren Hang zur Liebesschmonzette (unter dem Pseudonym Mary Westmacott veröffentlichte sie einige Liebesromane) konnte sie auch hier nicht gänzlich unterdrücken, bündelte diesen allerdings in einer heiter-ironischen Überzeichnung in der Beschreibung so mancher Situation.

Prinzipiell eine Meisterin im Kreieren von Dialogen zeigt sie hier ihr Können schon in recht frühen Jahren ihrer Karriere. Wieder einmal ertappte ich mich dabei, dass ich mitten bei dieser vergnüglichen Lektüre begann, laut zu lesen. Ein sehr gutes Zeichen für die Qualität der Dialoge! Zudem überzeugt Christie abermals mit prallen Charakteren jeglicher Couleur, wobei sie ihr Augenmerk immer besonders auf die Frauen-Typen richtet, die von ihr stets mit Selbstbewusstsein, Verve und Esprit porträtiert werden.

Der Abschluss dieser amüsanten Anthologie bildet die Geschichte „Schwanengesang“, die von einer höchst ungewöhnlichen Aufführung der Oper Tosca berichtet, bei der der Sänger des Scarpia mit einem Messer in der Brust auf offener Bühne sein Lebenslicht aushaucht. Gerade als passionierter Theaterbesucher bereitete mir diese Geschichte eine besondere Freude – zumal mein Stammtheater die neue Spielzeit mit Tosca eröffnet.

„Geschichten zum Wegnaschen“ urteilte damals The Times Literary Supplement und dieser Einschätzung kann ich mich uneingeschränkt anschließen. Zudem dieses Naschwerk bar jeglicher Kalorien und Kohlehydrate daherkommt.