Rezension

Spannend und interessant

Der Kalligraph des Bischofs - Titus Müller

Der Kalligraph des Bischofs
von Titus Müller

Bewertet mit 5 Sternen

"...Die Schrift war eine riesige Scheune, ein Speicher, der den vergesslichen Menschen half, ihre Erinnerung stark zu machen. Sie bewahrte Wichtiges vor der Vergänglichkeit, die Schrift schuf Beständigkeit, gab einen Halt..."

 

Wir schreiben das Jahr 818. Germunt ist auf der Flucht. Mit Diebstählen hält er sich dabei über Wasser. Er wird von rothaarigen Edlen gesucht. Trotz der kalten Winterzeit bleibt Germunt nur der Weg über die Alpen.

In Turin arbeitet Biterolf als Schreiber für den Bischof. Da er Kampf und Streit ablehnt, wird er von den anderen verspottet. Momentan allerdings wartet man auf den neuen Bischof.

Der Autor hat einen spannenden und abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Das Buch lässt sich flott lesen und hat mich schnell in seinen Bann gezogen.

Mit Mittelpunkt der Handlung stehen Bischof Claudius, sein erbitterter Gegner Graf Godeoch, Biterolf und Germunt.

Die Personen werden gut charakterisiert. Claudius lehnt Bilder und Statuen in der Kirche ab. Er ist der Meinung, dass man allein Gott anbeten soll. Das Turiner Volk aber versteht diese Lehre nicht. Godeoch hatte auf eine schwachen Bischof gehofft. Er ist nicht bereit, seine Macht über Turin mit dem Bischof zu teilen. Germunt wird nach einem Unfall an den Hof des Bischofs aufgenommen. Biterolf soll ihn als Schreiber ausbilden. Obiges Zitat fällt bei dem ersten Zusammentreffen der beiden in der Schreibstube.

Der Schreibstil ist angenehm lesbar und geschickt an die jeweilige Situation angepasst. Die harten Bedingungen bei Germunts Reise über die Alpen werden ausführlich dargestellt. Dagegen hält sich der Autor bei der Schlacht gegen die Sarazenen wohltuend zurück und verzichtet auf viele blutige Details. Der Autor beherrscht den Umgang mit Metaphern und die Gestaltung kleiner besonderer Szenen im großen Geschehen. Zu den sprachlichen und inhaltlichen Höhepunkten der Geschichte gehören für mich die Gespräche zwischen Claudius und Biterolf. Der Schreiber darf es sich ausdrücklich erlauben, Claudius zu kritisieren. Dadurch werden nicht nur Claudius` Ansichten anhand der Bibel diskutiert, sondern auch Biterolfs Pazifismus. In die Handlung werden nach und nach Details aus Germunts Vergangenheit eingeflochten. So wird klar, welche Ereignisse ihn zu dem gemacht haben, der er zu Beginn der Geschichte ist. Er macht im Laufe der Handlung eine zunehmend positive Entwicklung durch, wobei ich als Leser nicht nur jeden Schritt verfolgen, sondern auch seine Wandlungen nachvollziehen kann. Viele historische Fakten wurden in das Geschehen integriert, sei es die damalige Gerichtsbarkeit oder die Möglichkeiten der Medizin. Ausführlich erfahre ich, wie eine Urkunde zu gestalten war und was ein Schriftstück zu etwas Besonderen machte. Gut herausgearbeitet werden die Emotionen der Protagonisten. Standfestigkeit, Hass, Machtgier, Hilfsbereitschaft und Geduld sind Beispiele dafür. Verrat und Unverständnis sorgen für einen hohen Spannungsbogen.

Ein Nachwort über den historischen Hintergrund vervollständigt das Buch.

Das Cover mit dem schreibenden Mönch im Rahmen passt zur Handlung.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Das lag an der vielschichtigen Handlung, den historischen Faktenwissen und der Wandlungsfähigkeit einiger Protagonisten.