Rezension

Spannende, abgrundtiefe Suche in South Dakota

Sturmgeflüster, tödliche Spurensuche im Land der Sioux - Alexandra Walczyk

Sturmgeflüster. Tödliche Spurensuche im Land der Sioux
von Alexandra Walczyk

Bewertet mit 4 Sternen

Interessanter Thriller weitab vom Mainstream!

Lewis Left Hand wächst in New York auf und erfährt erst mit 19 Jahren, dass sein Vater nur ein Stiefvater ist. Seine Mutter, eine Lakota Indianerin die aus South Dakota stammt, stirbt kurz darauf bei einem Unfall. Dorthin begibt sich Lewis nun auf Spurensuche nach seinem leiblichen Vater, der noch vor seiner Geburt bei einem „Unfall“ starb, so zumindest die offizielle Todesursache. Doch schon bald ist klar, dass es sich um Mord handelte. Der Junge beschließt auf der Heimatreservation seiner Eltern, der Rosebud-Reservation, zu bleiben und renoviert das alte Haus seines Vaters. Er macht die Bekanntschaft mit den Reservatsbewohnern und begegnet einerseits sofort warmer Herzlichkeit, Hilfsbereitschaft und andererseits einer hartnäckigen Mauer aus Schweigen. Er wird von vielen im Reservat als Fremder angesehen, ist er doch an der Ostküste wie ein Weißer aufgewachsen und passt anfangs mit seiner Art zu Denken, zu Reden und zu Handeln nicht ins Indianerland, wie seine Mutter ihre Heimat stets nannte. Auch scheint sein Nachname Left Hand bei vielen auf Ablehnung, was ihn um so neugieriger macht, herauszufinden, was vor fast 20 Jahren geschah.

Lewis findet heraus, dass sein Vater sich für die Menschenrechte für sein Volk eingesetzt hat, dass er eine Schwester hatte, an der die Weißen auch im 20. Jahrhundert noch ihre grausame Überlegenheit demonstriert haben.

Es handelt sich bei dem Buch nicht um einen klassischen Thriller (soweit ich das beurteilen kann, denn ich lese kaum Bücher aus diesem Genre), aber Stück für Stück entblättert sich das Grauen, das den Leser während der ganzen Lektüre immer wieder ereilt. Es wird nicht durch Splatterszenen, breitgetretene Grausamkeiten oder ähnliches erzeugt, sondern durch ein nachhaltig einsetzendes Entsetzen darüber, was Menschen anderen Menschen antun. Wie sehr die Politik, die Polizei, das FBI da mit drin stecken, wie durchorganisiert solche Machenschaften sind, wie skrupellos und unmenschlich. Wie ungerecht die Indianerpolitik immer noch ist und wie ungleich die Bedingungen des Alltagslebens, der Grundrechte und des Schutzes durch das Gesetz. Auch Lewis muss lernen, dass ein Indianer im Mittleren Westen eben für viele immer noch nur ein Wilder ist und nicht die gleichen Rechte genießt, wie ein weißer Mitbürger. Und ein Indianer, der unbequeme Fragen stellt, lebt schnell sehr gefährlich!

Jedoch sind die Charakter in „Sturmgeflüster“ nicht eindimensional und vorhersehbar, sondern schön ausgearbeitet, vielschichtig, authentisch, durchweg glaubhaft und viele durchlaufen im Verlauf der Geschichte eine Wandlung. Leider fehlte mir aber manchmal die Möglichkeit wirkliche Empathie zu empfinden. Zu sachlich bleibt oft die Sprache, beschreibend, statt mitfühlend. Besonders Lewis bleibt dadurch etwas fremd und spröde, ich hätte mir mehr Informationen über sein Innenleben, seine Gefühlswelt und seine Gedanken erhofft. All das bleibt der Fantasie und Vorstellungskraft des Lesers vorbehalten.

Bei aller Betroffenheit entsteht so nur streckenweise ein echtes, tiefes Mitfühlen mit den Figuren. Meine Lesefreude hat das aber nicht wirklich getrübt, da die vielschichtige Handlung äußerst fesselnd ist und ich es sehr, sehr gut finde, auch mal einen zeitgenössischen, politischen Roman über Native Americans zu lesen.

Das Buch ist sehr gut und genau recherchiert. Es gibt glaubhaft und nachvollziehbar die Situation der Lakota wieder, sowohl in den späten 1960er Jahren, als auch in den 1980ern. Die Beschreibungen des Lebens auf dem Reservat, die alltäglichen Probleme, die die meisten dort haben, werden eindringlich beschrieben. Die Landschaft taucht vor dem Inneren des Auges auf, wenn auch nicht in solch prachtvollen, satten Farben, wie in anderen „Indianer-Büchern“ (Ich benutze diesen Begriff übrigens nicht als Herabsetzung! Er ist nicht geringschätzig gemeint, sondern fasst für mich am ehesten mein Lesegefühl und mein ernsthaftes Interesse aus. Für mich ist der Begriff einfach seit meiner Kindheit gewachsen.)

Ich vergebe 4 von 5 Sternen an dieses interessante, gut recherchierte Buch!

Ein großer Dank geht auch an den Traumfänger-Verlag und an alle Mitleser der tollen Leserunde!