Rezension

Spannende Einblicke

Chinakinder - Jörg Endriss, Sonja Maaß

Chinakinder
von Jörg Endriss Sonja Maaß

Bewertet mit 5 Sternen

Das Buch enthält 30 Portraits von jungen Chinesen. Ein spezieller Teil des Buches widmet sich Hongkong und Taiwan.

Der Aufbau erfolgt pro Portrait nach dem gleichen Schema. Zu Beginn werden die wirtschaftlichen und politischen Fakten erläutert, die für das Thema relevant sind. Dann kommen die jungen Leute selbst zu Wort. Sie erzählen aus ihrem leben, von ihren Wünschen und betten in ihre Geschichte gegebenenfalls ihre Ansichten zur Entwicklung in China mit ein.

Die Autoren haben die Gesprächspartner sorgfältig ausgewählt und dadurch für eine Vielseitigkeit der Darstellung gesorgt.

Da ist Jiang Xiaoying, eine Tochter aus reichem Haus, die sich mit ihren Wissen und ihren Fähigkeiten in die Gesellschaft einbringen will, erst selbst ein Unternehmen aufbaut und vielleicht später einmal in die Firma des Vaters einsteigt.

Dem gegenüber steht Li Xue. Sie durfte nicht auf die Schule und hat keine Ausbildung, weil ihr die Papiere fehlten. Das wiederum liegt daran, dass sie das zweite Kind ihrer Eltern war und damit für den Staat praktisch nicht existierte. Mittlerweile wurden ihr aber die Dokumente zugesprochen.

Ein Arbeiter schreibt Gedichte, um den Frust der alltägliche Fließbandarbeit erträglich zu gestalten.

Die wenigen Beispiele auf die Portraits mögen genügen.

Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Der Umfang zwischen Faktenwissen und persönlichen Erleben ist ausgewogen. Gut gefällt mir, dass für beide Arten der Darstellung eine unterschiedliche Schriftart gewählt wurde. Damit sind sie klar getrennt.

Deutlich wird herausgearbeitet, wie sich die junge Generation schrittweise von den Ansichten der Eltern abgrenzt. Das ist nicht so einfach, weil sich die Gesellschaft in China über Jahrhunderte so entwickelt hat, dass die Eltern auch bei volljährigen Kindern noch das Sagen haben. Viele der jungen Leute versuchen sich heute nach der anstrengenden und stressigen Schulzeit, Freiräume zu verschaffen. Der Zwang zu schneller Heirat und einen Job, in dem man genug Geld verdient,wird nicht mehr von allen akzeptiert.

In den Darstellungen wird gezeigt, dass die Zukunft des Einzelnen entscheidend davon abhängt, wo man aufgewachsen ist. Städter sind bei der Verteilung der Plätze an begehrten Universitäten bevorzugt. Doch mit dem Internet kam der Blick in die Welt. Die junge Generation will reisen und sich ausprobieren. Sie löst sich von starren Strukturen. Es entstehen neue Strömungen in Musik und Kunst. Nicht zuletzt gibt es junge Chinesen, die sich im Umweltschutz einbringen, ökologische Landwirtschaft betreiben und Heimschulen für Kinder organisieren.

Die meisten der Gesprächspartner haben einen kritischen Blick auf die politischen Zustände, sehen durchaus die Einengungen und Beschränkungen, nehmen sie aber als gegeben hin und schaffen sich Freiräume.

Überrascht war ich von den Ansichten in Hongkong und Taiwan. Auch hier gibt es eine Diskrepanz zwischen den Generationen. Während die Eltern sich meist als Chinesen fühlen, träumt die Jugend von der Unabhängigkeit. Das betrifft bei Taiwan insbesondere die wirtschaftlichen Aspekte. Allerdings konterkariert das mit den zunehmenden industriellen Verflechtungen.

Eine Reihe farbiger Fotos zeigen die Interviewpartner. Außerdem enthält die erste Seite zu jedem Portrait mit einem Schwarz-Weiß-Bild sowie das Thema in Deutsch und Chinesisch.

Eine Karte von China und ein umfangreiches Glossar ergänzen das Buch.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es ist vielschichtig angelegt, ermöglicht Einblicke in die Denkweise der jungen chinesischen Generation und zeigt ein Land im Aufbruch.