Rezension

spannende Geschichte über ein Leben des letzten Jahrhunderts

Ein ungezähmtes Leben - Jeannette Walls

Ein ungezähmtes Leben
von Jeannette Walls

Bewertet mit 4 Sternen

Jeannette Walls hat in der Tat eine interessante Familiengeschichte. Nach ihrem Buch "Schloss aus Glas" hatte sie ein Buch über ihre Großmutter "Ein ungezähmtes Leben" herausgebracht. Dieses Buch nun hat mich auf meiner letzten Urlaubsreise begleitet.
Was für ein Leben! Schon als junge Frau musste Lily Casy Smith Entscheidungen treffen, die ihre weitere Zukunft erheblich beeinflussen würde. In einer Erdwohnung in Texas wurde sie geboren, schon früh auch für ihre beiden jüngeren Geschwister verantwortlich; für Bruder Buster und Schwester Helen. Sie musste darum kämpfen überhaupt eine Schule besuchen zu dürfen, denn natürlich war Schulgeld für den Bruder da, aber für sie als Mädchen ... Ihr Vater durch einen Unfall in jungen Jahren schwer beeinträchtigt, die Mutter zu höherem als für Arbeiten jeglicher Art berufen, nicht gerade gute Voraussetzungen für einen positiven Start in die Zukunft.
Für jede Wendung im Leben der Familie, ob gut oder schlecht, machte ihre Mutter Gott verantwortlich, nicht die Tatkraft der Menschen. Als der Vater von Lily mal wieder Geld für eine seiner Geschäftsideen brauchte, wurde kurzerhand das Schulgeld dafür genutzt, das eigentlich für sie gebraucht wurde.
So musste sie sich etwas anderes einfallen lassen, wie sie ihre Schule beenden kann. Bereits mit 15 Jahren machte sie sich daher auf den Weg zu ihrem ersten Job als Aushilfslehrerin nach Arizona. Zu Pferd. Alleine. Auch in eine größere Stadt ging sie einmal, um in einer Fabrik Geld zu verdienen. In dieser Zeit fiel sie auf einen bereits verheirateten Mann hinein, bei dem sie dachte, sie heiratet in ihre Zukunft. War wieder und wieder Aushilfslehrerin, Ritt Pferde bei Rennen, lernte so ihren zweiten Mann kennen.
Bekam spät Kinder, führte mit ihrem Mann eine Ranch, züchtete Rinder, lebte immer wieder sehr abgeschieden und abgeschnitten von Fortschritt und Wirtschaft. Erst spät kann sie ihre Schulausbildung beenden, wird anerkannte Lehrerin, lernt Fliegen und Auto fahren.
Es ist ungemein unterhaltsam auf der einen Seite, ein solch interessantes Leben zu verfolgen, bei der Indianer ebenfalls eine Rolle spielen, Elektrizität aber noch lange nicht. Im Jahr 1901 geboren war es für diese Frau und ihre Geschwister nicht einfach. Ihre Schwester Helen versuchte ihr Glück in Hollywood, bis sie schwanger und ohne Mann bei ihr eintraf. Unheilvolle Seiten zum Lesen folgen.
Die Erziehungsmethoden, die sie ihren Kindern angedeihen ließ, wie auch den Kindern in den verschiedenen Schulen, das hat mich schon schlucken lassen. So wenig Liebe wie es nur geht, dafür Strenge, Enthaltsamkeit, Entbehrungen, Strafen. Lieber Härte statt Weichheit und Verständnis sollten die Kinder wohl abhärten gegen die Unbill des Lebens.
Leider bekommen wir mehr Informationen über die Tochter als über den Sohn, als ob ihr dieser nicht so wichtig gewesen wäre. Vielleicht hat die Autorin nur nicht so viel Informationsmaterial über ihn bekommen. Nur die Freiheit auf der Ranch und die Liebe vom Vater waren eindeutig die wichtigsten Güter für die Kinder, für deren Zukunft. Auch wenn es Lily einmal bewusst wurde, dass sie zu weit gegangen war, war es zu spät, um den Riss zwischen ihrer Tochter und ihr selbst zu kitten. Für Lily war es auf jeden Fall ein Leben voller Abenteuer, vieler verschiedener Jobs und Entsagungen. Sie ließ sich von nichts und niemanden aufhalten, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte und schreckte selbst vor harten Maßnahmen gegenüber ihren Kindern und Mitmenschen zurück.
Der Schreibstil wirkt gefällig, die Geschichte wird nur selten durch Rückblicke unterbrochen und ist spannend. Es finden sich nur die üblichen Fehler, nichts wirklich Dramatisches.
Weitere Informationen über die Autorin finden sich zum Beispiel unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Jeannette_Walls