Rezension

Sprachlich genial, meisterhaft gestrickt

Das Labyrinth der Lichter - Carlos Ruiz Zafón

Das Labyrinth der Lichter
von Carlos Ruiz Zafón

Bewertet mit 4 Sternen

Ein Satz - ein Satz nur und ich war wieder verzaubert von Carlos Ruiz Zafóns wunderbaren Worten. Von der Magie, die sich hinter ihnen verbirgt, und von ihrer Kraft. Es gibt, so meine laienhafte Meinung, keinen anderen zeitgenössischen Autor, der es so meisterhaft versteht, Worte zu Welten zu verweben und sie vor dem geistigen Auge des Lesers Wirklichkeit werden zu lassen. Jahrelang habe ich gelechzt nach einem neuen Roman aus Zafóns Feder, der mich zurückführt auf den Friedhof der vergessenen Bücher. Und schließlich kam Das Labyrinth der Lichter - das Buch, das den Zyklus abschließt. Aber irgendwie bin ich nicht traurig darüber, dass es zu Ende ist. Es fühlt sich richtig an und gut, denn endlich schließt sich der Kreis und alles, was noch offen war, klärt sich auf.

Aber der Reihe nach: Auch diesmal wieder ist es ein exzentrischer Protagonist, an dessen Seite der Leser durch die Gassen Barcelonas wandelt, um irgendwann unweigerlich in der Buchhandlung Sempere & Söhne zu landen, wo er auf alte Bekannte trifft. Daniel Sempere, seine Frau Bea und seinen Sohn Julián, Sempere Senior und natürlich Fermín, den etwas rauen, aber treuen und liebenswerten Freund der Familie, der einem noch aus Der Gefangene des Himmels im Gedächtnis ist. Der Weg bis zu diesem Zusammentreffen ist diesmal allerdings ungewohnt lang und (ich muss es leider sagen) leider auch langatmig. Einerseits mochte ich Alicia - eine ungewöhnliche Frau, die sich in einer Männerdomäne einen Namen gemacht hat und nicht nur ihrem Begleiter Vargas, sondern auch dem Leser gewaltigen Respekt einflößt. Andererseits wollte und wollte ich nicht so recht mit ihr warm werden. Zum einen vielleicht, weil sie so widersprüchlich ist. Zum anderen womöglich, weil sie es so sehr darauf anlegt, sich zu Grunde richten, dass einem alle, die mit ihr zu tun haben, unweigerlich leid tun.

Vor allem im Mittelteil lässt die Handlung die Spannung und das Düstere, das unterschwellig Magische, das die anderen Romane ausmacht, vermissen. Auch hat Das Labyrinth der Lichter weitaus weniger von einem Schauerroman als seine Vorgänger. Vielmehr ist es eine Art Krimi, eine Spurensuche, in deren Verlauf die letzten Geheimnisse um Mauricio Valls, seine dunklen Machenschaften als Direktor des Montjuic Gefängnisses und ein letztes Mysterium um Daniels Mutter Isabella Sempere aufgedeckt werden. Durchaus etwas, das einen als begeisterten Leser der Vorgängerromane brennend interessiert und natürlich fehlt auch der "Book-Content" nicht - macht euch auf ein Wiedersehen mit David Martín, Julián Carax und Víctor Mataix gefasst. Gewürzt wird das Ganze mit politischen Intrigen, finsteren Machenschaften und einer gefährlichen Flucht vor jenen, die Valls' Geheimnisse sicher verborgen wissen wollen.

Ihr merkt es sicher schon: Ich weiß irgendwie immer noch nicht, was ich von all dem halten soll. Auf der einen Seite, ja - da ist es Zafón pur. Mit meisterhaft gesponnenen Verknüpfungen, magisch düsteren Handlungsorten und Worten, wie man sie sonst nirgends findet. Auf der anderen Seite ist die Handlung streckenweise wirklich ermüdend und verliert unterwegs etwas von dem Zauber, der dem Friedhof der Vergessenen Bücher und dem ganzen Universum drumherum anhaftet. Und dennoch habe ich jede einzelne Seite genossen. Aaah, dieser Widerspruch. Zafón treibt mich noch in den Wahnsinn und ich ende irgendwann wie seine Buchfigur David Martín.

Denn ich muss einfach sagen, dass ich Zafóns Worte atme, sie in mich aufsage. Die Zusammentreffen mit seinen einzigartigen, grandios gezeichneten Charakteren ein ums andere Mal genieße. Und hier ist Zafón für mich die große Ausnahme: Auch wenn die Handlung einmal schwächelt, was selten genug vorkommt, um es ihm nachzusehen, tragen mich die Worte weiter. Ich schwimme einfach weiter in diesem Sog, den diese ganze Welt des Friedhofs der vergessenen Bücher auf mich ausübt. Lächle über Fermíns zotige Bemerkungen, verliere mich in diesen unendlich vielen kleinen Welten, die sich in der Geschichte verbergen. Und kümmere mich irgendwann gar nicht mehr um die Haupthandlung, denn es gibt so viel mehr zu entdecken. Und auch wenn ich das Ende dann doch etwas sehr klischeehaft und wenig Zafón-like fand und ich bei mir dachte, dass die Handlung doch langsam leichte Ermüdungserscheinungen zeigt, bin ich immer noch glücklich. Es klingt vielleicht blöd, aber bei Zafón lasse ich mir jedes einzelne Wort auf der Zunge zergehen und will immer mehr, mehr, mehr. Ganz so wie bei Fermín und seinen Sugus.

Mein Fazit:

Carlos Ruiz Zafón ist ein Genie, ein Künstler und (m)ein Gott. Bei jedem Buch verliere ich mich aufs Neue in der einzigartigen Welt, die er mit seinen Worten erschafft. Und mit Das Labyrinth der Lichter bin ich nun ein letztes Mal auf den Friedhof der Vergessenen Bücher zurückgekehrt. Es war eine spannende, eine mystische, streckenweise vielleicht etwas langatmige und zähe, aber in jedem Fall eine unvergessliche letzte Reise. Wer, wie ich, ein Fan von Zafón ist, sollte sich dieses Buch nicht entgehen lassen. In jedem Fall sollte man sich aber im Vorfeld die drei Vorgänger-Bände noch einmal ins Gedächtnis rufen. Denn Handlungsstränge miteinander verknüpfen und Vergessenes zurück an die Oberfläche holen - ja, das beherrscht Zafón einfach meisterhaft.