Rezension

Spurensuche

Mein Vater, der Deserteur - René Freund

Mein Vater, der Deserteur
von René Freund

Bewertet mit 5 Sternen

Gerard Freund hat seinem Sohn nicht nur ein Kriegstagebuch hinterlassen, sondern mit ihm auch eine Geschichte. Der österreichische Autor René Freund ist dieser Geschichte auf den Grund gegangen und hat während seiner Recherche Schauplätze gesucht und besucht, hat Verwandte befragt und Zeitzeugen um Mithilfe gebeten.

Gerhard Freund (1925 - 1979), wurde als 18jähriger zur Wehrmacht eingezogen und dersertierte 1944 in Paris. Er kam in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung wurde er Schauspieler, der erste österreichische Fernsehdirektor und 1978 und 1979 der Intendant der Wiener Festpielwochen.

Sein Sohn René hat mit seinem Buch " Mein Vater, der Deserteur" ein Sachbuch geschrieben, bei dem er nicht nur das Kriegstagebuch seines Vaters veröffentlichte, sondern auch seine Recherche beschrieb und seine Gedanken und Meinungen offenlegt. Das Buch ist dadurch nicht nur sehr persönlich geworden, sondern nimmt den Leser dadurch auch mit auf diese Reise in die Vergangenheit.

Häufige Wechsel - Ausschnitte aus dem Kriegstagebuch und Spurensuche in den 2000er Jahren wechseln einander ab. Auch die Erinnerungen eines Amerikaners (des Schwiegervaters von René Freunds Schwester), der als amerikanischer Soldat am D-Day in der Normandie landete, hat Freund mit eingebaut.

Die geschilderten Erlebnisse auf beiden Seiten des Krieges personifizieren den Krieg - in all seinen schrecklichen Auswirkungen und bilden einen Teil des Buches. Doch es gibt auch noch den anderen Teil.

René Freunds Spurensuche, seine Aufarbeitung der Familiengeschichte, die Auseinandersetzung mit verschiedenen Meinungen, Meinungsänderungen, seine Recherchen, all das fliesst hier eng verwoben mit in diese Geschichte. Seine persönliche Reise in die Vergangenheit hat er mit diesem Buch festgehalten. Offen und nachdenklich.

"Wir sind so wahnsinnig gut darin, das Verhalten der Menschen "damals" mit unseren moralischen Kriterien von heute zu beurteilen. Und natürlich aus der Sicherheit von heute. Mutig ist das nicht gerade. Es bringt auch nicht viel, weil das moralische Urteil dem Versuch zu verstehen im Wege steht. " (S. 199)

Mir hat diese Suche, diese Auseinandersetzung und diese Aufarbeitung gefallen. Es macht nachdenklich, es personifiziert den Krieg, man schaut hinter die Kulissen und es stößt an es irgendwie auch zu versuchen - bevor es zu spät ist.