Rezension

Starke Grundidee leider überfrachtet

Zeit der Gespenster - Jodi Picoult

Zeit der Gespenster
von Jodi Picoult

Bewertet mit 3 Sternen

Ich habe zwei Anläufe für dieses Buch benötigt. Grund ist die zu große Anzahl an Handlungssträngen und Beziehungen der Personen untereinander, denn irgendwie hat in "Zeit der Gespenster/Second glance" fast jeder mit jedem etwas zu tun. Dabei gab es Erzählstränge, die mich stark interessiert haben, zum Beispiel der Teil, der in der Vergangenheit spielt und in dem man mehr über die Eugenik-Bewegung in den USA der 30er Jahre erfährt. Andere Teile der Handlungen haben mich weniger interessiert und ich musste mich schon sehr zum Weiterlesen zwingen.

Leider hat die Autorin zu viel in ihr Buch hineinbringen wollen: Zu viele Themen, Personen, Handlungsstränge und Beziehungen untereinander. Weniger wäre hier mehr gewesen; ich hätte lieber mehr über das Eugenik-Thema und die Geschichte der Abenaki erfahren und dafür nicht so viele Verstrickungen in der Gegenwart verfolgen müssen.
Die paranomalen Anteile an sich haben mich nicht gestört; leider waren aber auch diese Anteile oft überfrachtet mit zu vielen Zufällen, schicksalshaften Begegnungen und Vorausdeutungen in Träumen. Schade, denn ein paar Elemente waren auch sehr gelungen: Wenn die Kleinstadt von unerklärlichen Phänomenen wie vom Himmel regnende Rosenblüten heimgesucht wird, waren das ganz zauberhafte, stille Momente.

"Still" ist es in diesem Buch leider zu selten; in fast allen Handlungssträngen herrscht ständig eine Neigung zu Theatralik und überzogener Dramatik. Da schlägt die Liebe generell mit Donnerschlag und großen Schwüren ein, natürlich meist auf den ersten Blick. Ich glaube, selbst wenn ich nicht Single wäre, hätte mich das schwer genervt ...
Während mich der Teil, der in der Vergangenheit spielt, sehr gefesselt hat, zuckelte die Geschichte in der Gegenwart im Schneckentempo vor sich hin, und genauso unentschlossen zuckelten auch die unzähligen Protagonisten durch ihr Leben. Da wird ein Schritt vor und drei zurück gemacht, nur um dann kurz vor Scluss noch ein Finale mit nicht weniger als Action, Krach, Blut und Tod vorgesetzt zu bekommen - das fühlte sich einfach unstimmig an.

Gut gemacht hingegen fand ich, dass die Autorin zwar gegensätzliche Einstellungen aufzeigt, zum Beispiel in der Begegnung zwischen einer Wissenschaftlerin, die sich mit Präimplantationsdiagnostik beschäftigt und einer Mutter, deren Sohn an einer seltenen Erbkrankheit leidet, aber hier werden keine aufgesetzten Debatten darüber geführt. Der Leser lernt beide Blickwinkel kennen und muss sich selbst entscheiden, was er für gut und richtig hält und was nicht.

Insgesamt kann ich leider nur eine durchschnittliche Bewertung abgeben. Der sehr positive Eindruck, den die Handlung um Eugenik und Zwangssterilisation bei mir hinterlassen hat, wurde durch ein "zu viel" an allen Fronten leider wieder abgeschwächt. Schade, das hätte ein starkes Buch werden können.