Starker Spannungsroman, leider ungenügend aufgelöst
Bewertet mit 3.5 Sternen
Dass "Die Nacht gehört den Wölfen" für Jugendliche ab 14 Jahren empfohlen wird, halte ich für angemessen. Gerade Simons Alpträume werden sehr beängstigend geschildert, aber auch sonst mutet der Autor seinen Lesern einiges zu: Tod der Eltern, Suizidgedanken, Missbrauch, Autismus... Das hätte durchaus bemüht dramatisch wirken können, ist es aber nicht. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen in einer psychiatrischen Klinik gelingt es dem Autor, die oben genannten Themen einfühlsam und ohne Effekthascherei in die Geschichte einzubauen.
Durch Simons Perspektive erfährt der Leser allmählich mehr über sein Leben vor dem Unfall. Simon leidet vor allem darunter, dass er sich nicht vollständig an den Unfall erinnern kann. Eine verschlossene Tür, die immer wieder in seinen Träumen auftaucht, deutet darauf hin, dass Simon etwas Wichtiges erfahren muss, bevor er die Ereignisse wirklich verarbeiten kann. Aber was steckt hinter der verschlossenen Tür?
Gleichzeitig bringt der zweite Handlungsstrang um die verschwundene Leonie kontinuierliche Spannung in die Geschichte. Simon hat schon bald einen Verdacht und gerät auf der Spurensuche wiederholt in brenzlige Situationen, zum Beispiel in einem verlassenen Hotel mitten im Wald.
Die Sprache fand ich sowohl für Jugendliche als auch Erwachsene angemessen und gut lesbar. Passend auch das Cover mit einem gemalten Wolf, ein Thema, das sich durch das ganze Buch zieht - angefangen von Simons Erlebnissen in der Jugendpsychiatrie bis hin zu der immer bedrohlicher werdenden Situation im Dorf.
Einziger Kritikpunkt: Das Ende fand ich in dieser Form unbefriedigend und fühlte mich als Leser ein bisschen "hereingelegt". Plötzlich ging alles sehr schnell und auch die offenen Fragen wurden nicht alle ausreichend beantwortet. Außerdem hätte ich mir gewünscht, dass der Autor im Nachwort noch einmal explizit auf die psychischen Erkrankungen eingeht, die im Buch beschrieben werden, besonders im Fall von Simon. So ist vielleicht für Leser, die sich noch nicht mit diesem Thema beschäftigt haben, nicht klar, welche Handlungsweisen Simons nun seiner autistischen Störung zuzuschreiben sind und wo andere Erkrankungen ins Spiel kommen, zum Beispiel Angststörungen etc.
Fazit:
Ein gut gemachter und spannender Roman für Jugendliche und Erwachsene. Leider wird der positive Gesamteindruck durch die Art, wie die Geschichte endet (nicht der "Twist" an sich, sondern die offenen Fragen, die er aufwirft), etwas abgeschwächt.