Rezension

Steifer Protagonist und steifer Ehrbegriff

Schach von Wuthenow - Theodor Fontane

Schach von Wuthenow
von Theodor Fontane

Bewertet mit 3.5 Sternen

"Schach von Wuthenow" spielt zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als sich Preußen gerade in einer schwierigen militärischen Situation mit Frankreich befindet. Protagonist ist der Rittmeister des Regiment Gensdarmes, Schach von Wuthenow. Neben den politischen Konflikten kommt es für den Schach auch zu persönlichen Konflikten, weil er der hässlichen Tochter seiner ehemaligen Geliebten Josephine von Carayon verfällt. Da die Beziehung zwischen Victoire und dem Rittmeister Folgen hat, kommen gesellschaftliche Konventionen ins Spiel, die den Schach zwischen Pflicht dem König gegenüber und seinen eigenen Idealen verzweifeln lässt.

Zunächst muss man zu diesem Werk Theodor Fontanes sagen, dass die politischen Situation zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle spielt, da sich viele Gespräche und auch der kulturelle Aspekt an wichtigen Ereignissen entlang hangelt. Diese sind etwas langatmig und vor allem, wenn keine Kenntnis darüber herrscht, was es mit den historischen Ereignissen auf sich hat, geht viel von der Erzählung und von Fontanes Absichten verloren.

Herzstück bleibt aber die "Liebesgeschichte", wenn man sie denn wirklich als solche charakterisieren kann. Protagonist und Titelfigur ist Schach von Wuthenow, in den man aber zu keinem Moment diese Novelle einen wirklichen Zugang findet. Seine Motive und Gedanken lassen sich zwar zweitweise erkennen und auch nachvollziehen und dennoch bleibt er auch nach Beendigung von "Schach von Wuthenow" eine blasse Figur. Wesentlich aufschlussreicher gestalten sich dabei (wie bei Fontane üblich) die weiblichen Figuren: Victoire und ihre Mutter. Beide Frauen haben einen Hang zur Romantik, haben eine Meinung zum politischen Geschehen und zeigen sich sehr empathisch. Bei Josephine von Carayon kommt hinzu, dass sie sehr auf die Werte der Ständegesellschaft pocht, während die von der Gesellschaft auf Grund ihrer äußerlichen Entstellung ausgeschlossene Victoire liberaler ist. Beide Frauen sind aber eindeutig charakterisiert und damit die heimlichen Heldinnen dieser Novelle. Da der Schach blass bleibt, ist auch die Liebesgeschichte blass. Da es aber auch nicht darum geht, eine schöne Liebesgeschichte zu erzählen, sondern darauf aufmerksam zu machen, dass die Werte und vor allem der Ehrbegriff der Gesellschaft der Zeit schon längst nicht mehr gemäß sind. Der Schach ist ein Lebemann, der für die Heirat nicht geeignet ist und trotzdem muss er Victoire heiraten, da diese ein Kind unter dem Herzen trägt. Hinzu kommt, dass der Schach sehr eitel ist und deswegen immer wieder an Victoires Makel Anstoß nimmt, daher gerät er in einen schweren Konflikt, der schließlich kein gutes Ende nimmt.

Was hängen bleibt ist, dass "Schach von Wuthenow" durchaus interessante Aspekte der Ständegesellschaft und des Ehrbegriffs in den Blick nimmt. Zudem ist auch die Meinung Fontanes offen, dass er alle Aspekte von mehreren Seiten beleuchtet und so ein allumfassendes Bild liefert. Dennoch nimmt das politischen Zeitgeschehen einen sehr immensen Raum ein, bei dem aber nicht komplett deutlich wird, warum dieser so wichtig für diese Liebesgeschichte ist. Der Protagonist bleibt zudem blass, vielleicht weil er eben so oberflächlich ist. Von daher kann ich nur sagen, dass "Schach von Wuthenow" trotz weniger gelungener Momente eine eher schwächere Novelle Fontanes ist.