Rezension

Superhacker, die Mafia, Finanzbetrüger und weitere Gauner

Lokstopp Nulluhr 4 -

Lokstopp Nulluhr 4
von Jan Cucco

Bewertet mit 2.5 Sternen

Insgesamt recht verwirrender Roman um Cyberkriminalität und Co., der vor allem in Finanz- und Computerfragen versierten Lesern zu empfehlen ist.

Wie oft dachte ich mir während der Lektüre von Jan Cuccos hier zu besprechendem 'Cyberkrimi' „Schuster, bleib bei deinen Leisten“, sprich lies lieber etwas, von dem du etwas verstehst anstatt, bedingt durch Nichtwissen, über weite Strecken ratlos zu sein und der mal langsamen, mal schnellen, sich gelegentlich sogar überschlagenden Handlung nur mit Mühe oder gar nicht folgen zu können. In der Tat übersteigt das, was ich hier gelesen habe, mein Wissen, meine Kenntnisse, nicht zuletzt mein Verständnis, denn weder kenne ich mich auf dem mir unendlich kompliziert erscheinenden Gebiet der IT aus, noch auf dem kolossal verschlungenen der internationalen Finanz- und Wirtschaftswelt mit ihren undurchsichtigen Strukturen. Schlimmer noch, schräge und undurchschaubare Machenschaften großer, mittlerer und kleiner Konzerne interessieren mich nicht die Bohne – und wieso man dem Gott Mammon unbedingt alle erdenklichen Opfer zu bringen bereit ist und mit welcher Geldgeilheit man durchs Leben marschiert, dabei krumme Geschäfte als selbstverständlich erachtet, ist mir schleierhaft! Manchmal komme ich mir vor wie aus der Zeit gefallen, so als käme ich direkt von der sprichwörtlichen Insel der Seligen. Doch stört mich das? Nicht doch! Das Leben, das die meisten der schwer einzuordnenden Darsteller führen, die Jan Cuccos Roman bevölkern, empfinde ich nämlich gar nicht als beneidens- und schon überhaupt nicht als anstrebenswert. Es ist dies eine Welt, vor der ich voller Staunen, aber mehr noch mit rechter Abneigung erfüllt stehe.

Dennoch! Nachdem ich mich mehr oder weniger eingelesen hatte – dies über Tage, was nicht meiner gewohnten Lesegeschwindigkeit entspricht -, begannen sich die Dinge zu klären, aus dem Gewühl von miteinander verbundenen oder nicht verbundenen Handlungssträngen leuchtete so etwas wie ein Pfad hervor. Von nun an wurde es leichter, auch wenn sich vieles weiterhin meinem kognitiven Verständnis entzog, wie natürlich die Kunst mit sieben Siegeln der IT-Spezialisten, noch mehr freilich die der beiden supergenialen Hacker Paul und William. Das Kapitel, in dem sich die beiden in die diversen Firmencomputer einschleichen und, erst mal drin, nach Herzenslust manipulieren, fand ich dennoch staunenswert und außerordentlich spannend! Ich nehme an, dass derartige Vorgänge durchaus realistisch sind, wiewohl nicht in einem solchen Ausmaß. Oder doch? Und wenn noch nicht jetzt, dann sicher in der Zukunft?

Ja, ich habe so einiges gelernt während der eher mühseligen Lektüre, ein paar Dinge auch begriffen – glaube ich. Und im letzten Drittel, als sich der Schleier ein wenig gelüftet hatte, fühlte ich mich richtig gut unterhalten. Zu meiner nicht geringen Überraschung! Da kamen mir nämlich plötzlich die Protagonisten, die ich insgesamt nur mittelmäßig gut ausgearbeitet finde, denn sie bleiben bis zum abgehackten Schluss (gar nicht gut!) gesichtslos, obschon sie bis dahin ein wenig an Profil gewonnen hatten, tatsächlich näher. Und die italienische Dottoressa, bei der ich die meiste Zeit über vergebens nach so etwas wie Moral gesucht hatte, tat mir unglaublicherweise sogar leid! So stark war sie, arrogant und kaltblütig und selbstherrlich, sich für unbesiegbar haltend – und da brauchte es nur einer falschen, einer unbedachten Entscheidung, um sie zu Fall zu bringen und zur Bittstellerin werden zu lassen, der man nicht wirklich gerne beistand. Tja, so ist das nun einmal mit den sogenannten Freunden! Nun, ihr Schicksal bleibt offen, wie das des Weinkenners und -genießers Belair, dem 0,01% Sicherheitsrisiko für die von Saulus zu Paulus mutierten Hackerprofis Paul und William. Das lässt darauf schließen, dass der Autor eine Art Fortsetzung geplant hat – für die ich mir aber eine flüssigere und damit klarere Art des Erzählens wünschen würde. Und das Weglassen von Anspielungen, die nicht von jedem Leser dechiffrierbar sind, wie das hier in 'Lokstopp' das eine oder andere Mal geschehen ist. Hinter die Kulissen zu blicken gelingt in der Regel nur, wenn diese klare Konturen haben und wenn es deutbare Hinweise gibt, was in dem vorliegenden Krimi jedoch alles in allem nicht der Fall ist.