Rezension

Supersüß! Simon wächst ans Herz ​

Simon vs. the Homo Sapiens Agenda - Becky Albertalli

Simon vs. the Homo Sapiens Agenda
von Becky Albertalli

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt
Seit einigen Wochen kommuniziert Simon per Mail mit Blue. Er weiß nicht, wer Blue ist - nur, dass er auf dieselbe Highschool geht und ebenfalls schwul, aber nicht geoutet ist. Gerade weil die beiden die Identität des anderen nicht kennen, öffnen sie sich einander und kommen einander so nah wie keiner anderen Person. Doch kann man sich über E-Mails in jemanden verlieben?
Als Simons Mitschüler Martin von der E-Mail-Freundschaft Wind bekommt und droht, Simons Geheimnis ausfliegen zu lassen, wenn er Martin nicht mit seiner besten Freundin Abby verkuppelt, wird es so richtig chaotisch.

Meinung
Auf „Simon vs. the Homo Sapiens Agenda“ (dt. „Nur drei Worte“ bzw. "Love, Simon") wurden schon zahlreiche Loblieder gesungen und bereits in diesem Jahr kommt der dazugehörige Film mit dem Titel „Love, Simon“ in die Kinos. Da ich für Bücher aus dem LGBTQ+-Bereich immer zu haben bin, war ich natürlich neugierig und wurde von diesem süßen Buch gut unterhalten.

Simon ist eine unglaublich sympathische und vor allem authentische Hauptfigur. Viele Protagonist*innen aus Jugendbüchern sind in ihrer Highschool eine Art Außenseiter*in, sind mit einer Person gut befreundet und das wars. Teilweise sind sie dann noch mit der Schulqueen verfeindet oder von den Supersportlern genervt. „Simon“ umgeht diese Klischees geschickt. Er hat einen recht großen und vielfältigen Freundeskreis und mehrere, sehr verschiedene gute Freund*innen. Er ist nicht er auffälligste Schüler der Schule aber doch recht beliebt. Auch andere Gruppenklischees, die man aus Highschool-Settings kennt, fehlen hier angenehmerweise.
Zudem hat Simon, was vielen anderen Protagonist*innen des Genres fehlt: Er hat Charakter, eine richtige Persönlichkeit. Er hat Hobbys, Freunde, Lieblingssüßigkeiten, Musik, die er gerne hört, und mag Harry Potter. Im Laufe des Buches sieht man die Figur des Simon bildlich vor sich und er wächst einem ans Herz, wie es nur gut ausgearbeitete Figuren können.

Ähnlich ging es mir mit Blue, auch wenn man den erstmal nur über E-Mails mitbekommt. Simon und er schreiben über die verschiedensten Themen, von Diskussionen über Oreo-Kekse zu relativ philosophischen Überlegungen, was interessant und gleichzeitig authentisch ist, weil es den Figuren Vielfältigkeit und Tiefe verleiht. Und man kann es kaum anders ausdrücken: Die beiden sind einfach unglaublich süß.

Auch Simons Freund*innen und seine Familie sind, auch wenn sie nicht ganz so ausführlich vorgestellt werden, ein quirliger Haufen Figuren, die einem so vermutlich auch im echten Leben begegnen könnten.
Die Szenen mit seiner Familie waren unterhaltsam und, trotz einiger Peinlichkeiten, angenehm, weil man mitbekommt, wieviel Liebe in dieser Familie steckt. Gleichzeitig sind seine Eltern natürlich auch streng und besorgt um ihn, was bei einem Teenager auch Sinn ergibt. Besonders toll fand ich Simons Schwester Nora, die so ganz anders ist als er, aber dennoch eine liebevolle Beziehung zu ihm hat, wie das bei Geschwistern nun mal oft der Fall ist.

Dass Becky Albertalli mit diesem Roman zeigt, wie nah man sich auch kommen und wie gut man sich kennenlernen kann, ohne einander persönlich zu treffen, hat mir gut gefallen. Für Menschen, die nicht mit sozialen Netzwerken und Smartphones aufgewachsen sind, mag diese Vorstellung ungewohnt erscheinen, doch als junger Mensch kann ich sagen, dass sie nicht unrealistisch ist. „Simon...“ zeigt die positiven Seiten und neuen Möglichkeiten von Technik, aber auch, dass man sie mit Vorsicht genießen sollte.

Abgesehen davon, dass „Simon“ eine niedliche und authentische Geschichte über verschiedene Themen ist, die für die Zielgruppe relevant sind (Freundschaft, Vertrauen, Familie, erste Liebe), bringt der Roman natürlich durch den Aspekt Homosexualität auch ein Thema ein, das im Jugendbuchbereich nach und nach endlich stärker repräsentiert wird. Simon und Blue setzen sich mit verschiedenen Aspekten ihrer sexuellen Orientierung auseinander, unter anderem damit, dass Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung nicht zwingend etwas miteinander zu tun haben (und homosexuell zu sein beispielsweise nicht heißt, dass man sich „weiblich“ verhält).

Gleichzeitig begegnen sie im Buch auch vielen Klischees, die leider nicht alle so besprochen werden, wie ich es mir gewünscht hätte. Simons Eltern beispielsweise wollen seinen besten Freund seit Kindertagen nicht mehr bei ihm übernachten lassen, als sie rausfinden, dass er schwul ist, und eine Freundin beobachtet jedes seiner Gespräche mit einem Jungen interessiert, als würde man automatisch jede Person des Geschlechtes, zu dem man sich hingezogen fühlt, anfallen. Eine andere Figur will Simon seinen Bruder vorstellen, weil der auch schwul sei, als müssten Menschen sich automatisch deshalb verstehen, weil sie die gleiche sexuelle Orientierung habe. Leider reagiert Simon darauf gar nicht, obwohl das eine gute Chance gewesen wäre, über weitere Klischees aufzuklären.
Ich war auch nicht einverstanden mit Simons Ansicht, Heterosexuelle sollten auch ein Coming Out haben müssen, da Heterosexualität kein Standard sei. Ich verstehe die Überlegung und finde es super, dass das Problem der Heteronormativität angesprochen wird, sie geht jedoch meiner Meinung nach in die falsche Richtung. Ich persönlich bin eher der Ansicht, dass niemand sich für die sexuelle Orientierung rechtfertigen müssen sollte und hätte mir gewünscht, dass das im Buch noch deutlicher gemacht wird.

Positiv anzumerken ist auch noch, dass die Figuren auch in Bezug auf ethnische Hintergründe, genauer gesagt Hautfarben, divers sind. Zu Simons besten Freund*innen gehören auch People of Colour, was einfach nebenbei eingeflochten wird. Das mag unaufregend klingen, aber in Anbetracht der Tatsache, dass die meisten Jugendbuchfiguren noch immer weiß sind, was die eigentliche Bevölkerungsverteilung nicht repräsentiert, finde ich es wichtig, das zu erwähnen.

Fazit
„Simon vs. the Homo Sapiens Agenda“ ist ein absolut niedliches Jugendbuch mit sympathischer und authentischer Hauptfigur, die einem sofort ans Herz wächst. Es setzt sich mit dem wichtigen Thema Homosexualität auseinander, erzählt aber gleichzeitig auch die herzerwärmende Geschichte eines ganz normalen Teenagers. Allerdings finde ich, dass in Bezug auf das Thema sexuelle Orientierungen nicht alle Möglichkeiten für wichtige Botschaften ausgenutzt wurden.